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Karl Bartos – Live im Haus Leipzig

Anfang Dezember werden die letztjährigen Grammy-Preisträger Kraftwerk im Leipziger Haus Auensee drei ihrer aufwendigen 3-D Konzerte spielen. Am Samstag kam deren ehemaliges Mitglied Karl Bartos in das viel kleinere Haus Leipzig um seine „Off The Record”-Live 2015 Show zu präsentieren. Er hatte neben eigenem Material jede Menge Klassiker im Gepäck, an denen er als Co-Komponist während seiner Zeit bei den Techno-Pionieren beteiligt war.  Karl zeigte, dass das, was seine ehemaligen Kollegen, auf die er nicht sonderlich gut zu sprechen ist, mit viel Aufwand betreiben auch im kleineren Rahmen bestens funktioniert.

Einige hundert Menschen, mehrere im klassischen Kraftwerk-Design mit roten Hemd und schwarzer, dünner Krawatte, kamen in die an eine Mischung aus Kleinkunst-Bühne und Tanzstunden-Parkett erinnernde Location, der Altersschnitt war erwartungsgemäß etwas höher, jedoch nicht so hoch, dass ein Bestuhlen der Veranstaltung deshalb nötig gewesen wäre.

Unter den drei Leinwänden, auf denen später die Filmbeiträge des audiovisuell konzipierten Sets laufen werden, sind zwei Work-Stations für die “Band” mit Mischpulten und Monitoren aufgebaut. Dazwischen ein einzelnes Keyboard und ein Mikrofon für Bartos, der im Ursprungs Line-Up der Düsseldorfer „der Zweite von links“ war, hier natürlich die zentrale Position einnimmt.

Jenseits des sechzigsten Lebensjahres gibt es keine Mätzchen mehr, wenn zwanzig Uhr auf der Karte steht, geht es auch zwanzig Uhr los. Pünktlich betritt zunächst Robert Baumanns seinen Arbeitsplatz und drückt die Enter-Taste des Laptops. Zahlen flimmern im Hintergrund, mit „Nummern“ gibt es gleich zu Beginn den ersten Kraftwerk Klassiker. Karl Bartos betritt die Szenerie, beinahe nahtlos fügt sich „Computerwelt“ an, das erste Stück von der 2003èr “Communication”-Platte ,”The Camera“ schließt sich an. Ein erster, kurzer Gruß an das Publikum, geredet wird zwischen den Stücken sonst nicht, das erwartet auch niemand von dem erhaben wirkenden Meister.

Die Zutaten Karl Bartos’ Musik bestehen aus Minimal-Techno, tackernden Keyboards, Roboter-Stimmen, Elektro-Avantgarde: altmodisch, modern und zeitlos, schwebend, gleitend und fesselnd. Wer stehen geblieben ist, gerät beinahe von selbst in Bewegung, die Sitzenden im Rahmen der Möglichkeiten auch. „Das Model“ wird gespielt, im Hintergrund verblichene Aufnahmen der damals blühenden Modestadt am Rhein. Mit „I’m The Massage“ und „Reality“ folgen zwei Songs seines ersten Solo-Albums, dann fährt der „Trans Europa Express“ ab. Als dieser sein Ziel erreicht hat, tupft sich der Protagonist kurz die Feuchte von der Stirn, sagt leise „Vielen Dank“ und startet „Die Roboter“.

Mit dem opulent in der Magengrube hämmernden „Atomium“, der „Nachtfahrt“ und „Musica Et Machina“ spielt der Gastprofessor der Universität der Künste Berlin Songs von “Off The Record”. „Without A Trace Of Emotion“ im Anschluss spiegelt im dazugehörigen Film doch Emotionen, wenn sich Robo-Karl zum humanoiden Akteur formt. Ein zusätzliches Mikro wird aufgestellt, Bartos stellt sich vor das Publikum an den Bühnenrand und performt „Life“, entstanden während seiner Zusammenarbeit mit Bernard Sumner von New Order, was man dem Titel auch anhört, astreine Indie-Disco meets Euro-Pop.

Ein größerer Kraftwerk-Block, unter anderen mit „Computerliebe“ (dessen Hook Coldplay via „Talk“ in die Stadien der Welt trugen) und „Tour de France“ läuft, dann „während „Interview“ und „15 Minutes Of Fame“ die Vorstellung einiger seiner Helden im Hintergrund. Nach „Neonlicht“ und 90 gespielten Minuten ein bescheidenes „Danke, dass wir hier sein durften. Wir sehen uns!“ und Abgang der Musiker.

Mit „TV“ seines Projekts “Elektrik Music” gibt es eine Zugabe, der Wahl-Hamburger Karl Bartos grüßt dabei mit einer stillen Geste den auf der Leinwand auftauchenden Helmut Schmidt. Eine letzte Verbeugung, das Licht geht an und damit ein großartiges Konzert zu Ende.

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