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Bright Eyes – Down In The Weeds, Where The World Once Was

Sogar als hartgesottener Bright-Eyes-Fan muss man sich irgendwann eingestehen, dass Leadsänger Conor Oberst bei einem Gesangswettbewerb keinen Blumentopf gewinnen könnte. Dem Hype hält die Band, die neben Oberst aus den Multi-Instrumentalisten Nate Walcott und Mike Mogis besteht, trotzdem stand, wie das neue Album „Down In The Weeds, Where The World Once Was“ erneut beweist.

Einer der vielen Gründe, Bright Eyes zu lieben, ist die Tatsache, dass Oberst seine Schwächen nicht kaschiert, sondern damit kokettiert. Bereits auf der Platte „I’m Wide Awake, It’s Morning“ schrie er: „I could have been a famous singer / if I had someone else’s voice / but failure’s always sounded better / let’s fuck it up boys, make some noise!“

Ein berühmter Sänger ist Oberst inzwischen, für Lärm haben Bright Eyes nicht nur auf ihren Alben, sondern auch in der Musikpresse gesorgt: Es gab Vergleiche mit Elliott Smith, die Krönung zum neuen Bob Dylan, eine Zuordnung zur Emo-Sphäre, obwohl sie mit dem Genre musikalisch nicht so wirklich was am Hut haben.

Vielleicht lag Letzteres nur dran, dass die Musik zwar genial, aber so traurig war, dass manche sie nur in die Sparte „Songs für deprimierte Jugendliche“ einordnen konnten.

Oberst, inzwischen über Eyeliner und traurig-wütendes Teenagertum hinausgewachsen, hat aber immer noch einen Kampf mit seinen Dämonen auszutragen, auch wenn diese auf „Down In The Weeds, Where The World Once Was“ etwas anders aussehen.

In guter alter Bright-Eyes-Tradition ist der Opener „Pageturner’s Rag“ wieder eine obskure Sprachaufnahme, dieses Mal inklusive spanischem Monolog von Obersts Ex-Frau, was ein schöner, nostalgischer Gimmick ist. Das Potenzial zum Lieblingssong der Platte hat er allerdings nicht – die 13 darauffolgenden Tracks dafür umso mehr.

Denn gewohnt emotional geladen vertonen Bright Eyes auf „Down In The Weeds, Where The World Once Was“ vor allem die düsteren Aspekte des Daseins und stellen sich dabei klanglich breiter auf als auf allen bisherigen Alben, was vielleicht auch dem großartigen Bassspiel von Flea (Red Hot Chili Peppers) und dem Schlagzeug von Jon Theodore (The Mars Volta, Queens Of The Stone Age) geschuldet ist.

Von banalen Problemen bis zur nackten Existenzangst ist dieses Mal alles dabei, manchmal mit verblüffenden Einsichten – und einer gewissen Diskrepanz zwischen Inhalt und Sound.

Wer hätte schließlich gedacht, dass auch Indie-Rock-Stars Schiss vor dem nächsten Geburtstag haben? Auf dem inhaltlich finsteren, aber gleichzeitig trotzig-erbaulichen „Forced Convalescence“ findet man den Beweis, von einer Chor-Performance untermalt.

Gravierendere Probleme gefällig? Auch das meistern Bright Eyes mit Bravour, ohne dabei zu anstrengend oder larmoyant zu werden. Das herausragende „Tilt-A-Whirl“ beispielsweise befasst sich mit dem Tod von Obersts Bruder und dem Altern seiner Mutter. Fazit: „Life’s a lonely love affair.“

Ein weiteres Beispiel: Die Lead-Single „Persona Non Grata“, die nicht nur ein Highlight des Albums, sondern einer der besten Tracks, die die Band je veröffentlicht hat, ist. Von Alltagsszenen über Weltschmerz bis hin zu mystisch-biblischen Themen haben die Lyrics alles aufgenommen. Klingt überambitioniert, ist aber eine echte Songwriting- Perle. Dudelsäcke gibt’s obendrauf.

Es wäre natürlich kein Bright-Eyes-Album, wenn nicht auch dysfunktionale Beziehungen ein Plätzchen finden würden, so unter anderem auf dem ruhigen, introspektiven „Hot Car In The Sun“ oder bei „To Death’s Heart (In Three Parts)“, wo doch wieder der Selbsthass aufblitzt:

„What’s it like to live with me here / every fucking day?“ heißt es da, im Hintergrund ist eine zauberhafte Frauenstimme zu hören. Manche Dinge ändern sich halt nie, was auf eine morbide Weise schön ist.

Um es kurz zu fassen: Mit „Down In The Weeds, Where The World Once Was“ ist eine Platte entstanden, welche die Rohheit der frühen Alben mit der ausgefeilten Produktion der neueren LPs paart und finstere Thematiken mit Lichtblicken spickt – das beste aller Welten im Bright-Eyes-Kosmos, quasi.

Erwachsen werden lohnt sich manchmal eben doch.

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