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Bill Callahan – Gold Record

„Hello I’m Johnny Cash“. Bill Callahan grüßt auf “Gold Record” nicht nur als Country-Legende, er unterschreibt auch mit „L. Cohen“. Auf halber Strecke zwischen Cohen und Cash liegt dann auch die eigene Wahrheit des 54-jährigen Songwriters.

Mit den beiden teilt er die Begabung, amerikanische Alltagsszenarien in packenden Worten zu erzählen. Mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass man bei Callahan nicht zwingend den Anfang und noch weniger zwingend ein Ende erzählt bekommt, sondern vielmehr das Buch noch lesen muss, aus dem seine Inspirationen stammen könnte.

“When you are dating, you only see each other / And the rest of us can go to hell / But when you are married, you are married to the whole wide world / The rich, the poor, the sick and the well, the straights and gays / And the people that say, ‘We don’t use those terms these days.” In seinem gewohnten Spoken-Word-Barrtion grummelt er diese Zeilen im Opener “Pigeons”.

Er ist dabei so nah an der Weisheit wie der allmählich sterbende und dabei noch einmal übergroße Leonard Cohen. Und stets in Begleitung von luftigen Country-Böen.

Beim sechs Jahre im Entstehen begriffenen „Shepherd In A Sheepskin Vest“ überraschte Callahan nach langer Abstinenz mit 20 Songs und 64-minütiger Spieldauer. Jetzt reicht ihm die Hälfte.

Wo der Vorgänger noch aus einer großen, fließenden Meditation bestand, hat Callahan “Gold Record” größtenteils unterwegs geschrieben und in den letzten 10 Montagen ein Lied pro Woche veröffentlicht; es handelt sich im Wesentlichen um eine lose Sammlung von Singles. Viele der Titel wie “Protest Song” oder “Another Song”, wirken wie Entwürfe.

„These songs are lies/ Step aside son”, heißt es entsprechend in „Protest Song“. Die Musik dahinter gefällt sich mehr als Sammelsurium an Sounds und Klängen, denn als greifbare Motive – und ist gerade deshalb so viel näher am Leben, als alles, was Callahan da noch hätte ausarrangieren können.

Im finalen Gitarrenlufthauch “As I Wander”, bewegt er dann erneut mit großen Zeilen: “It’s times like these that the forces at work start considering me/ As the link between death and dreams.” Und wieder möchte man sein heimisches Buchregal abwandern und Dinge aus tausenden von Zeilen erinnern.

Die grandiose deutsche Kraut-Rock-Band Sankt Otten hat kürzlich ein atmosphärisches, tolles 11. Album namens „Lieder für geometrische Stunden“ veröffentlicht, bei dem der Titel zur Musik wie Arsch auf Eimer passt.

Hätte Callahan so direkt getauft, hieße „Gold Record“ stattdessen “Lieder für literarische Stunden” und höchstens Marcel Reich-Ranicki hätte dann noch ein Haar in die Suppe zu lispeln.

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