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Xiu Xiu – OH NO

Jamie Stewart hasst Menschen. Zumindest schmückt ein Anstecker mit dem Schriftzug „I HATE PEOPLE“ den Gitarrengurt des Xiu-Xiu-Masterminds. Etwas verwirrend ist es dann auf den ersten Blick schon, dass ein Musiker mit einer derartigen Abneigung ein Duett-Album veröffentlicht. Für ihr 12. Album „OH NO“ hat sich das Duo soviel externe Unterstützung geholt wie noch nie.

Vorausgegangen war für Stewart eine der schwierigsten Phasen seines Lebens. Er hat sich von mehreren Vertrauten verlassen und sogar verraten gefühlt. Die Folge waren wiederaufkommende psychische Probleme und eine deswegen abgesagte Tour. In dieser dunklen Situation entstanden die Songs, die die Playlist von „OH NO“ bilden.

Nicht nur Fans haben den Musiker in der harten Zeit unterstützt. Viele Künstler*innen haben ihn kontaktiert und beteuert, wie wichtig sein Schaffen für sie ist. Genau diese Menschen haben Xiu Xiu dann auf ihrer neuen Platte integriert.

Das Ergebnis ist eine namhafte, genre-resistente Gästeliste: Angus Andrew (Liars), Chelsea Wolf, Sharon Van Etten und viele mehr. Der erste Schritt in Richtung liebevolle Musiker*innen-Gemeinschaft.

Klang der Vorgänger „Girl With Basket Of Fruit“ 2019 noch extrem sperrig und verkopft, ist „OH NO“ der Antagonist dazu. Sentimentale, ruhige Momente dominieren das Album. Die krachigen Noise- und Industrial-Elemente werden auf ein Minimum reduziert und der lauteste Song ist nicht mal eine eigene Komposition, sondern das The-Cure-Cover „One Hundred Years“.

Die freundschaftlichen Duette tragen niederschmetternde Lyrik vor und führen die Hörer*innen über 15 Lieder durch einen Drahtseilakt zwischen Optimismus und Pessimismus. Dabei ist von einer Ode an Dymphna, der Patronin der psychisch Kranken, bis zu einer deutschen Spoken-Word-Passage von Susanne Sachsse keine Grenze gesetzt.

Letztendlich dominieren aber Melancholie und Gemeinschaft und nicht wie zuletzt Wut und das Dasein als Außenseiter.

„OH NO“ ist ein gelungenes und organisches Kooperationsalbum, das Jamie Stewart dazu gebracht hat „nur noch“ 40 statt 99 Prozent der Menschheit zu verabscheuen. Ein bisschen weniger Menschenhass – ein bisschen mehr Miteinander.

Das Album liefert also eine perfekte Botschaft für eine zerstrittene Welt.

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