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Stephen Fretwell – Busy Guy

Der eine Mann will sein Abitur nachholen, Jura studieren und dadurch seine Familie versorgen. Der andere ist der Freigeist, welcher alle Sicherheiten aufs Spiel setzt und versucht, mit seiner Kunst über die Runden zu kommen. Im Falle von Stephen Fretwell leben diese beiden Männer in einem Körper und haben sich 14 Jahre lang bekriegt.

Am Ende hat letzterer gewonnen und das Ergebnis ist „Busy Guy“ – das dritte Album des Engländers. Seine Entscheidung für die Musik hat ihn seine Ehe gekostet und das entstandene Werk hinterlässt die Frage, ob sich das Drama gelohnt hat.

„Busy Guy“ ist alles andere als ein krachend lautes „Ich bin wieder da!“ Ganz im Gegenteil:

Im Vergleich zu seinen ersten beiden LPs hat sich Fretwell für eine stark reduzierte Instrumentierung entschieden. Nur selten drängen sich andere Elemente neben seiner Stimme und seiner Gitarre in den Vordergrund. Sehr traditionell – vielleicht sogar altbacken – für das Singer/Songwriter-Genre.

Stephen Fretwells Geschichten erzählen dabei von dem langsamen aber sicheren Auseinanderdriften seiner Ehe. Will seine Frau ihm am Anfang noch eine Chance geben, wird sie ihm gegenüber mit der Zeit immer kälter – so wie es ihr (mittlerweile) Ex-Mann in „Remember“ beschreibt:

“And the words on your lips get shorter/ And the time on your hands gets tighter/ And the cover of your back gets colder”.

Für ihre Liebe und die gemeinsamen Kinder hatte der Sänger sich 2007 nach seiner LP „Man On The Roof“ aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. Danach arbeitete er als Tellerwäscher und holte parallel seine A-Levels (das englische Äquivalent zum Abitur) nach. Das angestrebte Jura-Studium war ein gutes Stück näher gerückt.

Als dann aber Arctic-Monkeys-Frontmann Alex Turner 2018 Fretwells unbetitelten Song aus seinem Debütalbum „Magpie“ covert, ist er wieder gefragt und die Verlockung zu groß, es nicht noch einmal zu versuchen. Für Turners Nebenprojekt The Last Shadow Puppets hatte Fretwell Bass gespielt. Die beiden waren also ohnehin alte Bekannte.

Dieses nicht ganz unergründliche Geschenk hat für Stephen Fretwell zu einem unfreiwilligen Abschiedsbrief geführt. Der Songwriter blickt auf seinem Comeback zum einen auf die gemeinsame Vergangenheit, inklusive Urlaube und Geburtstage, zurück.

Zum anderen schildert er das unausweichliche Ende und gibt sich selbst die Schuld daran, wie in „The Goshawk and the Gull“: „I kind of chained you to a car in disbelieve/ And you are an angel, aren’t you?”

Die zehn Songs auf „Busy Guy“ klingen zwar unauffällig, gewinnen aber durch die drastischen Entscheidungen, die der Produktion vorausgegangen sind, an Bedeutung. Der Zwiespalt und das Leiden von Stephen Fretwell sind dabei die treibende Kraft.

Mit der unscheinbaren Verkleidung für seine Tracks ist er allerdings ein weiteres Risiko eingegangen. Und zwar jenes, neben der Konkurrenz blass zu wirken und ignoriert zu werden. Was am Ende übrig bleibt, ist die Hoffnung, dass sich das entstandene Familiendrama für Fretwell auszahlt.

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