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Andy Shauf – Wilds

Im vergangenen Jahr hatte Andy Shauf mit seinem Konzeptalbum “The Neon Skyline” ein narratives Fass aufgemacht: Die Geschichte der Platte spielt in einer einzigen Nacht, es geht um vergangene Beziehungen und die unangenehmen Spannungen, wenn ehemalige Partner wieder aufeinander treffen.

Eigentlich war diese Welt mit dem Album auch in sich geschlossen, trotzdem führt der kanadische Indie-Folker mit “Wilds” die Geschichte weiter. Nicht unbedingt als zweiter Akt, eher als Epilog – was ist mit dem Ex-Paar nach dieser entscheidenden Nacht in einer Großstadt-Bar passiert?

War der Vorgänger noch ein Werk über Reue, Selbstmitleid und dem Hinterfragen der eigenen Vergangenheit, geht “Wilds” nun versöhnlicher mit seinen Figuren um. Der Schmerz der Trennung ist noch deutlich zu spüren, allerdings kehren auch Akzeptanz und die Anfänge eines Heilungsprozesses in die Geschichte ein.

Dass die beiden Alben so eng miteinander verbunden sind, ist nicht unbedingt überraschend: Laut Shauf stammen sie nämlich aus demselben Session-Knäuel aus 50 Songs, die der Musiker 2019 innerhalb kürzester Zeit aufgenommen hatte.

Shauf hätte es sich hier auch leicht machen und den aufgeräumten, sauber produzierten Sound von “The Neon Skyline” einfach auf die neun neuen Songs stülpen können. Dass die Tracks nun aber mit einer ganz eigenen Ästhetik daherkommen, die sogar auch narrativ Sinn ergibt, spricht für die Sorgfältigkeit, mit der der Sänger seine Geschichten erzählt.

“Wilds” hängt recht roh in den Ohren, wirkt fast schon etwas verwischt und in eine Schicht Watte eingepackt. Das Album ist wie ein leichter Kater am nächsten Morgen, gepaart mit schmerzlichen Erkenntnissen, aber auch mit der Gewissheit, dass es bald wieder besser wird.

Die locker-leichten Akustik-Pop-Songs sind unaufgeregt, mäandern daher, wirken dadurch etwas orientierungslos und fühlen sich sichtlich wohl in ihrem eigenen Minimalismus, der nicht unbedingt großartigen Stoff für Hits liefert, aber doch mit simplen, jedoch bezaubernden Melodien für gute Wohlfühl-Vibes sorgt.

Shauf nuschelt die Texte gerne daher, klingt dadurch hin und wieder auch angestrengt nachdenkend. Nicht etwa weil die Sujets der Platte zu verkopft sind, sondern weil man es dem Songwriter ohne zu Zögern abnimmt, wenn er über einen Menschen singt, der versucht, die eigene Gefühlswelt und die seiner Mitmenschen zu verstehen.

Zwar kann man “Wilds” als Nachgang sehen, als einfache Ergänzung des großen Ganzen, das Shauf sich erdacht hat. Damit übersieht man allerdings leicht alle eigenen und reizenden Qualitäten, die das Album so mit sich bringt und die ebenfalls eine andere Sicht auf die Coming-Of-Age-Geschichte von “The Neon Skyline” liefern.

In vielerlei Hinsicht legt Shauf hier mit einer nüchternen, ehrlicheren, fast schon authentischeren Sichtweise nach.

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