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Snail Mail – Valentine

Um ein paar unliebsame Erfahrungen reicher, schreibt Lindsey Jordan alias Snail Mail ihr zweites Album, das in seiner Vielseitigkeit den bunten Blumenstrauß des Indie-Pop pflückt und erneut sowohl kommerziell als auch bei Kritikern Lorbeeren ernten dürfte.

Wie sehr Snail Mail in beiden Welten unterwegs ist, im Glamour des Popbusiness, das in den vergangenen Jahren immer jüngere Künstlerinnen durch den Medienwolf scheuchte, als auch im Independent-Zirkus, sieht man an Zweierlei:

Einerseits schreibt Katie Crutchfield von Waxahatchee höchstpersönlich die Biografie zum neuen Album. Andererseits kämpft Jordan mit denselben überfordernden Phänomenen, wie ihre jungen Kolleginnen.

Lorde beschrieb, dass sie “Alpträume vom Blitzlicht der Kamera” hatte; Billie Eilish beobachtete “einen Stalker, der die Straße auf und ab lief”. Und Jordan zieht es, vom Erfolg ihres Debütalbums aus 2018 angezählt, in eine Entzugseinrichtung in Arizona.

Während des 45-tägigen Aufenthalts geht es um die Probleme, die sich aus dem Zusammenprall eines jungen Lebens mit plötzlichem Ruhm und Erfolg ergeben. Aus dieser Sicherheitsmaßnahme heraus nimmt „Valanetine“ Gestalt an.

Da Jordan ihre Instrumente und Aufnahmegeräte nicht mitnehmen darf, beginnt sie, die Arrangements für das neue Album ausschließlich aus dem Gedächtnis und der Fantasie heraus auf Papier zu notieren. Wieder draußen zieht es sie nach Durham, North Carolina, um sich mit Brad Cook (Bon Iver, Waxahatchee) in dessen kleines Homestudio zu verkriechen.

Dort nehmen die Skizzen Form an und schaffen musikalisch erneut spielerisch den Spagat zwischen den beiden Welten – der des Pop und der des Indie:

Der erbauliche Shoegaze in “Glory“ etwa verkörpert Jordans Slacker-Seite und erinnert an Fazerdaze oder Soccer Mommy. In „Ben Franklin“ ist sie ihren oben erwähnten Kolleginnen auf der Spur. In “Madonna” verheiratet sie beide Welten einfach in einem Song.

Die auffälligste Veränderung auf „Valentine“ im Vergleich zum Vorgänger ist Jordans Stimme, die tiefer, heiser und reifer ausfällt. Und doch grüßt sie in ihrer so bestimmten wie dahingehauchten Form noch immer von vorbeirollenden Skateboards.

Sie schneidet durch die nebligen, filmischen Synthesizer, während sie die unbeständige Dynamik einer Beziehung darlegt (“You’ve gotta live/ And I gotta go”) und gleichzeitig die Kraft ihrer Hingabe betont (“Fuck being remembered/ I think I was made for you”).

Auch wenn es für Jordan keinen Grund gab, mit dem Erfolgsrezept des Debüts zu brechen, ist „Valentine“ gerade mit den verschwommeneren Stücken wie „Headlock“, ein Reifezeugnis, das an Chan Marshall denken lässt. Das sind nicht nur kuschelige und anschmiegsame Strickpullunder von Songs, nicht einfach nur die nächsten guten Bedroom-Pop-Aufnahmen, sondern entscheidende Weiterentwicklungen.

Auf ihrem Debütalbum “Lush” sang die damals Siebzehnjährige noch “I’m in full control/ I’m not lost  Even when it’s love/ Even when it’s not”. Heute weiß sie es besser: “Moved on, but nothing feels true/ Sometimes I hate her just for not being you/ Post rehab I’ve been feeling so small/ I miss your attention, I wish I could call”.

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