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Veranda Music – Unter Einfluss

Mittlerweile bringen Veranda Music nur noch alle Jubeljahre ein neues Album heraus: Nach den ersten beiden Scheiben “Here’s To Them All” (1999) und “Leblon” (2000), sowie dem Cover-Album “Look Of Joy” (2002) kamen erstmal sechs Jahre Pause, bevor “Secret Scenes” 2008 erschien.

Die Dauer zwischen den Alben steigt exponentiell: Erst nach 13 weiteren Jahren folgt nun “Unter Einfluss” als vierte Studioplatte mit originalem Material.

Die großen Zwischenräume sind dem Leben selbst geschuldet. Alle vier Mitglieder sind beruflich anderweitig eingespannt und sind entweder mit anderen Musikprojekten, der Übersetzung von Literatur oder sonstigen Berufen beschäftigt.

Lange Wartezeiten steigern allerdings auch die Vorfreude auf neues Material, diesmal ebenfalls getragen von zwei Tatsachen: Zum Einen von der Begebenheit, dass Veranda Music mit “Unter Einfluss” ihr erstes komplett deutschsprachiges Werk liefern.

Zum Anderen von der Tatsache, dass altes Material den Weg auf das Album fand, das Teile der Band vor vielen Jahren mit dem 1996 verstorbenen Liedermacher Tobias Gruben schrieben.

Der als “deutscher Nick Cave” bekannte Songwriter war berüchtigt für die brutal ehrliche Poesie in seinen Songs, für Geschichten über Drogensucht und Gänsehaut im Alltäglichen, eingepackt in unaufgeregten und trotzdem höchst emotionalen Alternative-Pop-Songs.

Veranda Music führen auf “Unter Einfluss” das Erbe des alten Freundes mit ihrem eigenen Freak-Folk zusammen, was für dezente und unaufgeregte Songs sorgt, die zwischen Katerstimmung und Tristesse schweben.

Die vier Musiker sind Meister der Subtilität, wenn es um die Konstruktion ihrer Songs geht. Nie hört man auf der Platte etwas, das wirklich aufschreckt oder übermannt. Dennoch gehen die tieftraurigen Melodien mit der Zeit tief unter die Haut, die Gitarren klimpern hoffnungslos und ein resigniertes Klavier bringt eine zynische Lässigkeit ins Arrangement.

Es ist keine reine Kopf- oder Bauchplatte – zum Kaputtdenken oder -fühlen sind die Tracks doch zu schade. Eher steigt “Unter Einfluss” ins Gehirn und offenbart die Konfrontation mit schmerzenden Tatsachen, nur um später mit der ganzen emotionalen Härte in die Magengegend abzusacken.

Wer in die deutschsprachige Rock- und Popgeschichte schaut, der bemerkt, dass nur wenige Acts zu solch einer schmalen Gratwanderung imstande waren. Rio Reiser etwa in seinem Karriere- und Lebensabend.

Zuweilen merkt man, dass es die erste Platte in ihrer Muttersprache ist – Frontmann Nicolai von Schweder-Schreiner wirkt mit den deutschen Texten ohne die schützende Mauer der emotionalen Sprachbarriere noch etwas unbedarft in seinen Geschichtenerzählungen, erscheint aber mit seiner rauchigen und nicht immer perfekten Stimme herzlich und verletzlich.

Die rohe Ehrlichkeit der Songs zwischen Pop, Alternative und Folk, sowie die Balance zwischen Verzweiflung und Coolness reißen beim Hören mit, ohne dass man es selbst sofort bemerkt. “Unter Einfluss” blutet schmerzliche Menschlichkeit.

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