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Casper – Alles war schön und nichts tat weh

Casper hat schon immer polarisiert. Von den einen als inhaltsleerer Parolenschwinger abgetan, der abseits von höherschlagenden Teenieherzen weniger bewegt, als die Bahn zu Zeiten des Sturmtiefs.

Von anderen hingegen für seinen heiseren Tanz an Genregrenzen als Rapper gefeiert, der weder Angst vor windschiefen Indie-Feelgood-Melodien noch vor düsteren Industrial-Eskapaden hat, bei denen Moshpit und stilsicheres Kopfnicken Hand in Hand gehen.

Auf „Alles war schön und nichts tat weh“, das – wie Casper beteuert – keinesfalls bei Muff Potter geklaut ist, da er deren gleichnamigen Song gar nicht kannte, sondern auf die gleiche Inspirationsquelle in Form des Romans „Slaughterhouse-Five“ von Kurt Vonnegut zurückzuführen ist, reizt der 39-Jährige seine Grenzen soweit aus wie nie und etabliert sich einmal mehr als großartiger Storyteller.

Schon die Feature-Liste des fünften Albums lässt erahnen, wie musikalisch breit gefächert Casper seine Geschichten erzählt:

Während er gemeinsam mit Haiyti bei „Mieses Leben / Wolken“ seine Zeilen mit der gleichen Wut wie zu „XOXO“-Zeiten rausspuckt, setzt er sich gemeinsam mit Tua von den Orsons zu „TNT“ – begleitet von Streichern, Chören, einem düsteren Beat und dessen feinster Kopfstimme, gepaart mit einer Portion Autotune – mit den Untiefen der eigenen Gedanken auseinander.

Dabei wird Casper auf „Alles war schön und nichts tat weh“ so persönlich wie nur selten zuvor. Das epische Finale „Fabian“ ist eine lupenreine Fortsetzung von „Michael X“ – nur, dass 11 Jahre später der Protagonist den Kampf gegen die Krankheit gewinnt.

Ganze sieben Minuten nimmt sich Casper Zeit, um diese dramatische Geschichte in all ihren Facetten zu erzählen. Beim Intro des Kinderchors hört man eigentlich schon den Halbton nach unten um die Ecke kommen, der seinen Hut Richtung Kendrick Lamar zieht, bevor dann doch alles anders kommt:

Klavierakkorde und düstere Beats liefern den melancholischen Teppich, bevor die Akustik-Gitarre zu den Zeilen „Coming home / Stärker als der Tod“ die Wolkendecke am Ende aufreißt und Platz macht für mehr als nur einen Lichtstrahl.

Während „Gib mir Gefahr“, zu dem KUMMER seinen Senf geben darf, eine pure Spaßnummer ist, mit deren Sehnsucht nach Livemusik sich Musikliebhaber aller Genres identifizieren können und „Euphoria“, mit dessen Synthiebreitseite Arnim Teutoburg-Weiß‘ Kopfstimme überraschend überzeugend als deutsche Bon-Iver-Variante hängenbleibt, überzeugt „Billie Jo“ mit seinem hymnischen Refrain, der über die inhaltliche Schwere und Komplexität gar nicht hinwegtäuschen will.

Alles war schön und nichts tat weh.

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