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Billy Bragg – Live im Tolhuistuin, Amsterdam

Dass Billy Bragg demnächst 65 wird, bedeutet nicht, dass seine Auftritte Ü30-Veranstaltungen sind. Entsprechend war das Publikum gestern im gut besuchten Tolhuistuin (früher Paradiso Noord) unweit des Fähranlegers zur Centraal Station bunt gemischt, als der Protagonist pünktlich um 20:30 Uhr die Bühne betritt und “A Lover Sings” anstimmt.

Auf drei Konzerte ist sein Aufenthalt in Amsterdam (wie jede Station dieser kleinen Tour) konzipiert. Der Singer/Songwriter erläutert eingangs, dass der erste Abend einer repräsentativen Werkschau dienen soll (was seinem aktuellen Live-Set entspricht), am zweiten nur Stücke seiner drei ersten Platten gespielt werden und beim letzten Auftritt, neben seiner souligen “Marvin-Gaye-Seite”, jene der Platte vier bis sechs ihr Momentum haben sollen.

Zu einem Billy-Bragg-Konzert gehören nicht nur die Songs, sondern auch umfassende Erläuterungen zum Kontext der Stücke, die mindestens genau so viel Raum einnehmen wie seine Musik. So lernt ihn das Publikum als Büchersammler, der die erworbene Exemplare nicht liest, als YouTube-Spezialisten und selbstredend als den politischen Aufklärer, der er als Aktivist seit Karrierebeginn war und nach wie vor ist, kennen.

Nach “The Price I Pay” folgt mit “The Million Things That Never Happened” der Titeltrack seiner aktuellen Platte, die in Teilen jene Country-Elemente beherbergt, die die Stimmungslage vom anschließenden “Way Over Yonder In The Minor Key” tragen, klingt “Levi Stubbs’ Tears” wie ein zeitloses Tondokument aus dem vergangenen Jahrtausend.

Auch beim Auftritt des agilen Briten fehlt das Statement zum aktuell wohl brisantesten Konflikt nicht. Via “All You Fascists Bound To Lose” schallt ein schöner Gruß an den aktuellen Top-Scorer der Warlord-Charts von der Bühne; bekommt mit “Sexuality” Morrissey seine Fußnote.

Seine beiden kongenialen Mitstreiter machen “I Will Be Your Shield” zu intensive Minuten, gönnt Billy Bragg dem textsicheren Auditorium mir “The Milkman Of Human Kindness” und “To Have And To Have Not” noch ihren Einsatz, bevor nach einer umfassenden Rede zur Pandemie und den Dingen, die daraus im Idealfall hätten gelernt werden können, “Power In A Union” den Hauptteil beendet.

Dass ausgerechnet dann eine Saite reißt, reiht sich in die Authentizität eines Abends ein, dem – neben der Musik und den spoken words im Umfang einer Sozialphilosophie-Vorlesung – noch die Gedanken an das Große Ganze nachhallen.

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