MusikBlog - Entdecke neue Musik

Swans – Live im UT Connewitz, Leipzig

Prominenter Besuch im Leipziger Süden. Swans-Mastermind Michael Gira fuhr dort mit seinen Begleitern in einem schwarzen Nightliner vor, um erstmals seit 2017 ein Konzert mit großer Kapelle zu spielen.

Dass bei Auftritten der New Yorker Noise-Heroen Hörschutz angesagt ist, hat sich herumgesprochen und wer nicht plante, demnächst den Hörgeräteakustiker zu besuchen, tat gut daran, sich am Eingang des UT Connewitz damit auszustatten.

Im Vorprogramm war der noch nicht nötig, der – O-Ton M. Gira – „motherfucking, cocksucking“ Norman Westberg, langjähriger Freund und Mitglied der Band, begab sich in einen ununterbrochenen, dreiviertelstündigen Dialog mit seiner Gitarre und rollte einen meditativen Klangteppich im Saal aus.

Michael Gira überließ nichts dem Zufall, überwachte in der kurzen Pause nach dem Warm-up höchstpersönlich die ordnungsgemäße Vorbereitung seines Equipments im ältesten noch erhaltenen Lichtspieltheaters der Stadt, bevor sich die Musiker kurz nach 21:00 Uhr geschlossen zu ihren Arbeitsplätzen begaben.

„Guten Abend, meine Damen und Herren!“ sprach der Leitschwan fast akzentfrei und stimmte die ersten Töne von „The Beggar“ an. Nacheinander holte er seine Mitspieler ab, die Soundwand türmte sich Schicht für Schicht auf, bis sich aus der geplanten Kakophonie jene präzise getaktet Wucht entwickelt hat, mit denen die Swans seit Jahrzehnten hypnotisieren.

Der Opener war das Titelstück des kommenden Albums, zum großen Teil aus Material bestehend, welches via „Is There Really A Mind“ bereits in ersten Versionen zugänglich war, nun seine endgültige Fassung erhielt und in Auszügen im Verlauf der folgenden zwei Stunden vorgestellt wurde.

Der Leader war sofort in medias res. „The Hanging Man“ wurde zur obsessiven Predigt, die vor dem kathedralenähnlichen Bühnenambiente des Venue noch eindrücklicher geriet. Gira dirigierte seine Instrumentalisten mit Stimme und Gesten, die, Mitte der Veranstaltung einzeln vorgestellt, dem Takt des Maestros folgten.

Die bunkerbrechenden Arrangements wurden von folk-gespeisten Melodiefragmenten kontrastiert, die sich in die, auch die gegenwärtige Schaffensphase der Band prägenden, langen, aus übereinander gestapelten Klangebenen unerreichter Höhe bestehenden, Stücke einfügten.

Michael Gira schien mit dem Tourauftakt zufrieden, emotionale Ausbrüche, die man vom Perfektionisten aus früheren Veranstaltungen kennt, blieben aus, und auch für Diskussionen mit einzelnen Gästen – in den Neunzigern kramte er in der hiesigen Moritzbastei tief in den Hosentaschen nach Geld und fragte hörbar gereizt „You want your money back?“ – gab es diesmal keinen Anlass.

Nach der Verzahnung von „Leaving Meaning”, „Cloud Of Unknowing” und „New Untitled Song“ schickten die Swans ihre Gäste ohne Zugabe auf den Heimweg, haben hier und gestern einmal mehr der eigenen Legendenbildung Vorschub geleistet.

Facebook
Twitter

Schreibe einen Kommentar

Das könnte dir auch gefallen

Login

Erlaube Benachrichtigungen OK Nein, danke