„Ich weiß wie sehr Klischee das ist“ singt Madeline Juno im Refrain des Openers „Sad Girl Shit“ und bringt ihr sechstes Studioalbum dabei unwissentlich mit einem Satz auf den Punkt. Denn, obwohl „Nur zu Besuch“ ein paar Sahnehäubchen bereit hält, versinkt ein großer Teil der Platte knietief in Klischees. Und das sowohl textlich als auch musikalisch.

Dabei geht es mit „Sad Girl Shit“ eigentlich direkt ziemlich gut los. „Ich bin nicht wütend auf dich / Das ist einfach mein Gesicht (…) Zwei Finger schwören ‚Es läuft‘ / Zwei hinterm Rücken gekreuzt / Einer für alle die sagen, dass ich mehr lächeln soll“ sind bissige Zeilen, die sich viele Frauen zu oft nur denken.

Die lässigen Gitarrenakkorde freuen sich über einen eingängigen Beat und Juno schwebt mit ihrer Stimme darüber so selbstverständlich und mühelos, gespickt mit einer kleinen, aber feinen Prise Arroganz, wie eine Nina Chuba.

Und auch „Lovesong“ ist nicht so platt, wie sein Titel vermuten lässt. Vielmehr ist dieses Liebeslied eine bitterböse Abrechnung, bei der Juno dem ehemals Angebeteten nicht mal vier Akkorde gönnt. Obwohl sie textlich hart ins Gericht geht, hört man dies der Musik keinesfalls an.

Vielleicht hätte dieser Song mit seiner überzeugenden Selbstsicherheit besser ans Ende gepasst. Denn, was danach folgt, sind viele weitere Nummern über Liebeskummer und mangelnder Wertschätzung in allen Facetten, wodurch das schlagfertige Girl vom Beginn der Platte schnell in Vergessenheit gerät.

Der Sound bleibt dabei meist elektronisch und lässig. Oft haucht Madeline Juno mehr, als dass sie singt und auch von ihrer Kopfstimme macht die 28-Jährige ausgiebigen Gebrauch. Auf die Dauer sorgen diese immergleichen Zutaten dafür, dass einige Teile von „Nur zu Besuch“ der Redundanz zum Opfer fallen.

„Mitte 20“ bricht als melancholische Akustik-Ballade, die sich in ein episches Finale steigert, nochmal etwas aus der Masse heraus, trieft allerdings auch ganz schön ordentlich vor Pathos und Melodramatik.

Leider hält Madeline Juno die musikalische Kreativität und ihre lyrische Bissigkeit, mit denen sie so vielversprechend begonnen hatte, auf Plattenlänge nicht.

Zeilen wie: „Selbst Verbrennung’n dritten Grades würde ich ertragen / Doch dreh dich von mir weg und ich kann nicht penn’n / Selbst ein bisschen mehr als gar nichts triggert meine Panik / Gibt es auch nur den Hauch einer Möglichkeit / Du hörst grad damit auf, mit mir close zu sein“ aus dem Song „Gewissenlos“ schütteln die meisten jenseits des Teenageralters eher vor Unbehagen als vor Mitgefühl.

Schade.

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