Im sanft illuminierten Täubchenthal entfaltete sich gestern Abend ein musikalisches Schauspiel der besonderen Art. Peter Doherty, der ewige Romantiker des Indie-Rock, nahm sein Publikum mit auf eine Reise durch die Höhen und Tiefen seines beachtlichen Œuvres – bewaffnet mit nichts anderem als seiner Gitarre, einer Zeitung und drei Zigaretten im Hut.
Bevor der Hauptakt die Bühne eroberte, wärmten wie üblich mehrere Supportacts die gut besuchte, wenn auch nicht restlos ausverkaufte Halle auf, diesmal Thomas Urwin, Jack Jones, sowie der Leipziger Paul Dechering von der Band Nikita Curtis, der nicht angekündigt war und Peter Doherty spontan vor dem Konzert fragte, ob er einen Song mit ihm spielen darf und kurzerhand als Support eingeladen wurde.
Die Atmosphäre war geladen mit Erwartung, als Doherty nach Bonnie Tylers „Total Eclipse Of The Heart“ schließlich im Scheinwerferlicht erschien – als ein poetischer Vagabund, der sich nach all den Jahren den Hunger nach musikalischer Wahrheit bewahrt hat.
Seine Performance schwankte zwischen kontrolliertem Chaos und präziser Kunstfertigkeit, gefüllt mit brüchigen Melodien und brillanten Textzeilen. Mal flüsterte, mal schrie Peter Doherty seine Texte, während seine Finger über die Gitarrensaiten tanzten.
Mit dem atmosphärischen „I Am The Rain“ – passend zum Leipziger Wetterbericht – und Auszügen seiner kommenden Platte „Felt Better Alive“ bewies er seine nach wie vor andauernde Relevanz.
Bizarr und bezaubernd zugleich waren seine Exkurse aus einer mitgebrachten Zeitung. Mit verschmitztem Lächeln teilte er zum Beispiel die Anekdote, dass Fidel Castro bei seinem DDR-Besuch 1972 einen Plüschbären erhielt und Staatsratsvorsitzender Erich Honecker im Gegenzug die „Thälmann“-Insel schenkte – ein surrealer Moment politischer Geschichtsschreibung zwischen Gitarrenakkorden.
Bei „Last Of The English Roses“ von seinem 2009er Solo-Debüt „Grace/Wastelands“ ersetzte Peter Doherty wiederholt Textzeilen durch „Leipzig“, einmal überraschend auch durch „Düsseldorf“ – ein charmanter Verwirrungsmoment, der das Publikum schmunzeln ließ.
Den Höhepunkt erreichte der Abend mit dem Babyshambles-Klassiker „Fuck Forever“, der die Konzertbesucher*innen in einen kollektiven Rausch versetzte.
Leider folgte danach nur noch eine Interpretation von The Smiths‚ „Panic“ als Schlusspunkt – ohne Zugabe verschwand Peter Doherty von der Bühne, gerade als die Stimmung ihren Siedepunkt erreichte.
Was vom Konzertabend bleibt, ist die Erinnerung an einen Troubadour, der im Fragment seine Heimat gefunden hat und trotz oder gerade wegen seiner Widersprüche immer noch fasziniert.
Peter Doherty hat in Leipzig wieder einmal bewiesen, dass er mehr ist als die Summe seiner einstigen Skandale und hat diesmal sogar frühere Skeptiker überzeugt. Er bleibt ein Geschichtenerzähler, der keine Antworten, sondern Fragen liefert und der uns daran erinnert, dass wahre Kunst immer auch ein wenig aus der Zeit fallen darf.