Hayley Williams hat sich längst als charismatische Frontfrau von Paramore in der Musikgeschichte verewigt. Doch mit ihrem neuen Soloalbum „Ego Death At A Bachelorette Party“ gelingt ihr etwas, das selbst in einer Ära endloser Album-Rollouts selten ist: ein ebenso verwirrender wie faszinierender Veröffentlichungsprozess und ein radikaler künstlerischer Neuanfang.
Am 28. Juli 2025 tauchten plötzlich 17 von 18 Songs auf ihrer offiziellen Website auf, ohne Erklärung, ohne Kontext. Erst am 1. August erschienen dieselben Tracks als Einzelveröffentlichungen auf Streaming-Plattformen. In der Zwischenzeit überschlugen sich Fans mit eigenen Tracklists auf einer extra dafür gegründeten Website – ganz wie es sich Hayley gewünscht hatte.
Was schließlich als offizielles Album erschien, war ein Überraschungscoup, und ein beeindruckender obendrein. Mit einer Laufzeit von rund einer Stunde ist „Ego Death At A Bachelorette Party“ ein ambitionierter, oft schonungsloser Blick in Williams’ Innenleben.
Bereits der Opener „Ice In My OJ“ gibt die Richtung vor: verzerrt, wütend, sarkastisch. Zeilen wie „I’m in a band“ oder „lot of dumb motherfuckers I made rich“ lassen keinen Zweifel daran, dass hier abgerechnet wird, mit der Musikindustrie, mit der Vergangenheit, vor allem aber mit dem eigenen Selbstbild.
Die Paramore-Vergangenheit ist stets präsent, wird aber nie zum zentralen Thema. Stattdessen entsteht das Porträt einer Künstlerin, die mit sich selbst ins Gericht geht.
Höhepunkte finden sich viele: Das schaurig-schöne „Negative Self Talk“, die bittersüße Mitgröhl-Hymne „Mirtazapine“ über den Alltag mit Antidepressiva, oder der Titeltrack selbst, der auf clevere Weise Identitätskrisen und Selbstbehauptung verhandelt, verpackt in eingängige Melodien mit Biss.
Williams gelingt es, existenzielle Themen in Pop-Songs zu gießen, ohne je ins Klischee abzurutschen. Dabei wandelt sie durch Trip-Hop, Alt- und Bedroom-Pop.
Doch nicht alles funktioniert gleichermaßen gut. In der zweiten Hälfte verliert das Album an Fokus. Songs wie „Zissou“ oder „Brotherly Love“ wirken im Vergleich zu ihren Schwestersongs wie Skizzen. Charmant, aber nicht ausgereift.
„Discovery Channel“ schließlich wagt sich an eine gewagte Interpolation von Bloodhound Gangs „The Bad Touch“, scheitert jedoch am eigenen Anspruch: mutig, aber letztlich fehl am Platz im emotional aufgeladenen Kontext des Albums.
Zum Abschluss liefert „Parachutes“ einen versöhnlichen Höhepunkt. Der Song bündelt alle Motive des Albums in einem intensiven, fast kathartischen Finale. Wenn Williams haucht: „You could’ve told me what you wanted“, klingt das wie der emotionale Endpunkt einer Reise, die viel verlangt, aber noch mehr gibt.
„Ego Death At A Bachelorette Party“ ist kein makelloses Werk. Es ist überlang, stellenweise unausgewogen und voller Ecken und Kanten. Doch gerade diese Kompromisslosigkeit macht es so spannend. Hayley Williams öffnet sich wie nie zuvor, experimentiert mit Form und Inhalt, gibt Kontrolle ab und schafft damit eines der mutigsten und persönlichsten Pop-Alben des Jahres.
Man könnte sich sogar wünschen, sie hätte die Songs nie als Album veröffentlicht. Das Konzept, Fans ihr eigenes Werk aus Fragmenten zusammenstellen zu lassen, war brillant. Doch auch in dieser finalen Form bleibt „Ego Death At A Bachelorette Party“ ein Statement: gegen Konventionen, für künstlerische Autonomie und für die heilende Kraft des radikalen Selbstausdrucks.

