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Marissa Nadler – New Radiations

Das neue Album „New Radiations“ von Marissa Nadler ist ein Traum. Das trifft nicht nur auf die Musik zu: Die Lieder sollen eine traum-ähnliche Erzählung vermitteln. „Mein Ziel war es, Raum und Zeit durch überlagerte Bilder und Effekte in eine Art Traumraum zu verzerren“, kommentiert Nadler den Clip zum Titellied „New Radiations“.

Auf dieser Ebene spielt sich auch der nie abreißende Strom der weich aufeinander folgenden Wort-Kaskaden ab. Oft schlängeln sie sich durch Wiederholungsschleifen. Nadler präsentiert sich als ‚Storyteller‘ klassischer Prägung: Eine selbst-reflektierte Poetin, die hinter jedem Wort und Ton eine Bedeutung parat hält.

Die Musik dazu kommt ästhetisch dem Dream-Pop nahe. Den Klangfarben der Stücke wohnt eine sphärische, manchmal wasserartige Konsistenz inne.

Nadler selbst hat den Longplayer produziert und mit ihrem neuen Musik-Partner Milky Burgess eingespielt. Dabei setzte sie auf eine feenhafte Darstellung ihrer selbst. Nie aber erscheint sie in ihrem zarten Klanggewand zerbrechlich, sondern vielmehr dem Reich von Fantasie-Geschichten und Fabeln entlaufen, oder tatsächlich einer Traumwelt.

Und schließlich vereinnahmt die Platte bereits nach wenigen Takten, entfaltet eine traumhaft tolle Qualität auf allen Ebenen und hält diese bis zum Ende durch. Unterwegs steigert sie sich im Mittelteil sogar dank wummernder Rambo-Bässe. Sie konterkarieren die sanfte Seite des Albums geschickt und angenehm.

Textinhalte, Poesie, Metaphorik, stimmliche Performanz, Melodien, Harmonien, Instrumentierung, Arrangements, Aufnahmetechnik und Mastering zeichnen sich durch höchste Güteklasse aus, was gerade bei den technischen Punkten interessant ist, weil ein Teil von „New Radiations“ in Nadlers Heimstudio entstand.

Zu all den Volltreffern auf den genannten Kompetenzfeldern kommt dann noch ein gut gemachter Spannungsbogen hinzu, mit dem Titelstück als erstem Gipfel an Intensität und dem nachfolgenden „If It’s An Illusion“ als retardierendem Moment.

Über all das hinaus gibt uns die 44-Jährige von der Ostküste auch noch das Essenziellste: Sie berührt emotional. Manchmal liegt das an der inneren Widersprüchlichkeit, die man nicht erwarten würde.

So erblüht die Ballade „Hatchet Man“ in lieblicher Anmut und wirkt unschuldig, malerisch und wie eine akustische Postkarte aus einem Idyll. Stattdessen beschreibt der Gesang jedoch die Zeugenschaft eines Mordes, und der Mörder hatte gerade ein romantisches Date mit dem Opfer. Auch die weiteren Lieder entspringen oft szenischen Motiven.

Marissa Nadler hat sich bewusst für eine weiche Form der Musik entschieden, obwohl sich Sanftheit zu vielen der Plots nicht aufdrängt, und sie geht das Risiko ein, in Klimpern und Beiläufigkeit zu versinken.

Das tritt jedoch zum Glück nicht ein. Denn nach dem Motto ‚Wer wagt, gewinnt‘ siegt Nadler auf ganzer Linie: Mit der kompletten LP strahlt sie Präsenz aus, und mit „Weightless Above The Water“ gelingt ihr ein stimmungsstarkes Meisterwerk, das in eine Reihe mit Joni Mitchells besten Momenten einsortiert gehört.

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