Sieben Grad Celsius, Nikolausabend, und die Menge wippt bereits in der Security-Schlange. Das Contact Festival verwandelte am gestrigen Samstag das Zenith-Gelände und die Motorworld in München in eine zweigeteilte Techno-Kathedrale – schwarz gekleidet, warm verpackt, voller Vorfreude.
Die Bässe hallten bereits am frühen Nachmittag über den ganzen Platz, ein akustisches Versprechen dessen, was kommen würde. Die Festival-Architektur war ambitioniert: fünf Stages, verteilt auf zwei Areale, verbunden durch Brücken über kalte Straßen. Space, Orbit, Atlas, Nova und die besondere Hive/Eclipse Stage mit ihrer Galerie-Ebene bildeten ein Labyrinth aus Sound und Bewegung.
Zwischen Burger-Buden, Tattoo- und Piercing-Boxen und Crêpes-Ständen bahnten sich die technophilen Zuschauer*innen ihren Weg – manche in klassischem Schwarz und Leder, andere mit Weihnachtsmützen als ironisches Zugeständnis an den Kalendertag und praktisches Wiedererkennungsmerkmal in den Menschenmassen.
Nice Keed eröffnete auf der Atlas Stage den Reigen, während zeitgleich Cara Elizabeth auf der Nova Stage und Roman Weber auf der Orbit Stage das Festival-Gelände mit Leben füllten. Doch es war Lee Ann Roberts, die mit ihrem Techno-Remix von Mozarts „Eine Kleine Nachtmusik“ einen ersten Höhepunkt setzte. Beim Beatdrop ging die Menge ab, Seifenblasen schwebten durch die heiße Luft wie Euphorie-Partikel.
Das DJ-Pult-Schienensystem der Space Stage ermöglichte einen nahtlosen Übergang zu I Hate Models. Der französische Produzent, erkennbar an seiner charakteristischen schwarzen Maske, die seine untere Gesichtshälfte verdeckt, sprang immer wieder auf die Tische, ließ seinen Kopf dramatisch beim Drop nach hinten fallen – ein theatralischer Hohepriester des harten Technos.
Sam Paganini übernahm anschließend, führte die Space Stage in dunklere, hypnotischere Gefilde.
Auf der Hive/Eclipse Stage entwickelte sich dann eine besondere Dynamik. Afem Syko und Cleopard2000 legten gemeinsam auf, später Nicolas Julian und Byørn – ein Konzept, das sich b2b (back to back) nannte und funktionierte. Zwei DJs bedeuteten tatsächlich doppelte Energie, Stile verschmolzen zu etwas Neuem.
Die Galerie-Ebene verteilte die Massen intelligent, schuf Raum zum Tanzen und zum Beobachten. Charlie Sparks und AZYR setzten das Format fort, bevor A.N.I. und NOTMYTYPE den Abend mit Remixen von Alligatoah („Willst Du“) und Tove Lo („Habits“) krönten – die Menge sang textsicher mit, Techno traf Pop-Gedächtnis.
Das Ampelsystem der Organisatoren zeigte via Bildschirmen die Auslastung der Stages an: grün für genug Platz, gelb für langsam voll und rot für Einlass-Stopp. Eine smarte Idee, wenn es genug Bildschirme gegeben hätte. Ab 23:00 Uhr strömten zahlreiche Late-Ticket-Gäste auf das Gelände, Wege, die um 17:00 Uhr nur fünf Minuten dauerten, brauchten um 01:15 Uhr 18 Minuten – verbracht in der Kälte vor den Brücken, zitternd, wartend.
Zurück auf der Space Stage zeigte Charlie Sparks, warum sein Name zweimal auf der Timetable stand. Hier war kein Zentimeter frei, Schulter an Schulter, ein pulsierendes Organismus aus Schweiß und Sehnsucht. Die Hive Stage hatte Platz geboten, hier gab es nur Dichte – und für einen Moment die kalte Erkenntnis, was Massenpanik bedeuten könnte.
Holy Priest leutete den Endspurt der Nacht auf der Space Stage von 02:00 bis 03:30 Uhr ein – mit einer weißen Maske mit einem schwarzen Kreuz darauf und einer Präsenz, die sakral und säkular zugleich wirkte. Im hinteren Teil saßen einige Techno-Fans schon leicht fertig auf Bierbänken, andere standen darauf, um den DJ zu sehen. Von der Decke tropfte es, die Bänke wurden nass – München im Dezember eben, selbst indoor.
Die organisatorischen Herausforderungen – 48-minütige Toilettenwarteschlangen, die bis nach draußen in die Kälte reichten, fehlende Wärmelampen, das Versäumnis, Glühwein zu verkaufen, während nebenan ein Weihnachtsmarkt leuchtete – trübten die Stimmung punktuell.
Doch die Musik war stärker. Die Raverinnen in Röcken und Feinstrumpfhosen, die männlichen Fans in Unterhemden, alle zitterten, aber alle blieben. Es war kalt, definitiv, aber die Basslinie wärmte, was der Dezember versagte.
Das Contact 2025 war ein Festival der Kontraste: zwischen Kälte und Körperwärme, zwischen logistischer Überforderung und künstlerischer Exzellenz, zwischen Nikolaus-Kitsch und ernster Techno-Andacht. Eine Nacht, die im Gedächtnis bleibt – nicht trotz, sondern wegen ihrer rauen Kanten.

