Als Kind lernte Melody Prochet schon ein bisschen Bratsche, und die frühe Übung zahlte sich aus. Während sie für „Bon Voyage„, ihrem zweiten Album unter dem Namen Melody’s Echo Chamber, eine Brücke von Südfrankreich in den Stockholmer Vorort Bagarmossen baute, landete sie mit der kollaborierenden schwedischen Band Dungen wiederholt bei Streich-Arrangements.
Besondere Aufmerksamkeit bei den neuen Songs ihres vierten Albums „Unclouded“ saugt „How To Leave Misery Behind“ beim Hören an. Denn vom Überwinden des Elends weiß die Singer/Songwriterin ein Lied zu singen. Ein schwerer Unfall mit gebrochenen Wirbeln und Hirnblutung warf sie einst, kurz vor Veröffentlichung des zweiten Albums aus dem Gleis.
Es gelang ihr jedoch die vollständige Genesung und Rehabilitation, im Anschluss wurde sie damals schwanger. Aufgrund der Geburt ihrer Tochter Alma, die 2022 den Song „Alma – The Voyage“ gewidmet bekam, hielt sich die Künstlerin mit Tourneen und Interviews zurück.
An das zugehörige Album „Emotional Eternal“ knüpft jetzt auf dem Nachfolger „Unclouded“ vor allem ein Stück an, „Into Shadows“. Hier macht sich einmalig wieder der Psychedelic-Pop im Stile der 60er-Jahre breit, wie beim Vorgänger. Und in „Daisy“, einem Höhepunkt des Albums, klingt die Beat-Musik jener Dekade an.
Doch als bei weitem dominierende Klangfarbe des neuen Albums stellt sich Breitwand-Orchester-Pop heraus. Jeder Track nutzt String-Arrangements, um die sich die Schwedin Josefin Runsteen kümmerte. Ein Teil dieser Streicher-Stücke folgt dem, was man in den Sixties Barock-Pop nannte, orientiert sich außerdem an Filmmusik, Easy-Listening und an Serge Gainsbourg.
Dieser historisch prägende Chansonnier dürfte Melody nicht fremd sein – er machte einst ein berühmtes Album über eine Frau namens Melody, „L’Histoire De Melody Nelson“. Das Titelstück von „Unclouded“ schleppt ganz viel Gainsbourg-Geschichte im Basslauf mit sich.
In den enthusiastischen Film-Bombast packt Melody Prochets Crew alles so sehr ein, dass die einzelnen Stücke wenig Eigenleben entfalten und sich in einer Art akustischem Girlanden-Plüsch verhaken. Manches, zum Beispiel „In The Stars“, gerät da schon sehr lieblich und zuckersüß, so sehr, dass es kindlich klingt.
Eine Reihe von Stücken kombiniert die Streicher-Üppigkeit mit Synth-Anklängen in Trip-Hop-Stil und -Rhythmus und mit Jazz-Breakbeats, wobei diese organisch am Schlagzeug-Set entstehen. Es trommelt Malcolm Catto von den Heliocentrics, bekannt aus dem Hip-Hop von DJ Shadow.
Schlagzeug hatte die Künstlerin übrigens im Jahr 2018 selber mal erlernt, und es ist eine der großen Stärken der Platte, sich nicht auf Drum-Machine-Abwege bringen zu lassen. Zu den trip-hop-verwandten Beiträgen zählen „Eyes Closed“ mit indischen Einsprengseln und „Childhood Dream“ auf den Spuren der frühen Goldfrapp und des Cinematic Orchestra.
Gitarre und Bass bestreiten auf der Platte die beiden Kollegen Daniel und Love von der schwedischen Retro-Soul-Gruppe Dina Ögon. Um die übrigen Instrumente kümmert sich der Tausendsassa Leon Michels aus New York. Die Präsenz der Gitarren ist allerdings recht sekundär, so dass alte Vergleiche von Melody’s Echo Chamber mit den Cocteau Twins nicht mehr zutreffen.
Zweiter Anspieltipp des Albums, neben „Daisy“, ist „Burning Man“. Da dienen die Worte als vager Eindruck im Rausch des quirligen Melodie-Dickichts der Instrumente, und so tritt Melody’s Echo Chamber hier vorübergehend in einen Dream-Pop-Exkurs ein. Nirgends sonst passt der Projektname mit der Echokammer so eindeutig wie hier.
