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Nicholas Lens And Nick Cave – L.I.T.A.N.I.E.S.

Wenn Covid-19 seinen Schrecken verloren hat, wird Musik zurückbleiben, die es ohne das Virus vielleicht nie gegeben hätte.

Nicholas Lens, geografischer wie musikalischer Weltenbummler, kam jedenfalls auf einer Fahrradtour durch seine leere Heimat Brüssel ein zurückliegender Besuch im japanischen Rinzai-Zen-Tempel in den Sinn, ein Ort der Stille und nun Inspiration für “L.I.T.A.N.I.E.S.”.

Nick Cave, spirituellen Themen nie abgeneigt und aufgrund der abgesagten Tour zur aktuellen Platte ebenfalls mit unerwarteten Zeitvalenzen, musste vom Belgier nicht lange gebeten werden, als Librettist für das 12-teiliges Werk zur Verfügung zu stehen, war ihre Zusammenarbeit für die Weltkriegs-Vertonung „Shell Shock“ doch bereits eine beeindruckende.

Die 11-köpfige Musiker-Mannschaft, u.a. mit Lens’ Tochter Clare-Lane, unter normalen Umständen für Aufnahmen dieser Art nicht zu begeistern, an Keyboard und Mikrofon, stellte sich bedingt durch die geltenden Reise- und Auftrittsbeschränkungen fast von allein auf.

Die Vokal- und Instrumentalparts wurden hygieneregelkonform in Einzel-Sessions beim Komponisten daheim aufgenommen und später zusammengefügt, was sich so wenig bemerkbar macht, wie die verschiedenen Vorstellungen der beiden Protagonisten bezüglich der Interpretation einer Litanei.

Die Petitionen von „Litany Of Divine Absence“ bis „Litany Of Divine Presence“ erzählen mit von Furcht, Glauben und Hoffnung durchtränkter Lyrik vom Werdegang des Menschen, seiner Geburt, seiner Blüte, seinem Niedergang und seiner eventuellen Wiederauferstehung, unterstützt von sensibel auf die jeweiligen Lebensabschnitte abgestimmten Arrangements.

Es zerreißt ein repetitives Violinen-Thema die „Litany-Of-The-First-Enounter“-Stille, die mit der Stimme einer Suchenden singt. „Litany Of Blooming“ lässt mit intimem Wechselgesang den sich ausbreitenden Boden der Liebe fragil wie eine dünne Eisschicht erscheinen.

Die Grenzen von E- und U-Musik verschwimmen, „Litany Of Forsaken“ unternimmt einen unbekümmerten Ausflug in Pop-Gefilde, tendiert nicht nur die Stimmung von „Litany Of Gathering Up“ zu PJ Harveys „White Chalk“-Album, trägt die „Litany Of Godly Love“ ein wenig „The Boatman‘s Call“ im Herzen.

“L.I.T.A.N.I.E.S.” wirkt in sich geschlossen, beinahe meditativ, das als „Corona-Oper“ angekündigte Album besticht mit anmutiger Schönheit.

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