Website-Icon MusikBlog

Ben Frost – Under Certain Light And Atmospheric Conditions

Ben Frost ist eine schöpferische Naturgewalt. Mit „Under Certain Light And Atmospheric Conditions“ ist dem australisch-isländischen Musiker ein Kunststück gelungen. Das Kunststück eines Post-Live-Albums.

Es gibt Live-Alben. Konzertmitschnitte. Die fleischgewordene Illusion des unmittelbaren Erlebens einer Performance in den eigenen vier Wänden. Auf den ersten Blick eine großartige Idee. Ich kann als Fan dabei sein. Ohne live dabei gewesen zu sein.

Auf den zweiten Blick fällt jedoch die Maske. Der Künstler entpuppt sich als Zweitverwerter. Als zweitklassiger Koch von Mikrowellengerichten. Ben Frost hat das Konzept des Live-Albums für sich neu definiert. Er bildet die Realität nicht ab. Er schafft sie neu.

Tatsächliche Aufnahmen von Konzert-Locations wie der Ukraine und Indien unterlegt er mit Klanglandschaften. Und schafft so den Sprung von der Bühne zurück ins Leben.

Drei der Songs auf „Under Certain Light And Atmospheric Conditions“ entstammen dem Vorgängeralbum, “Scope Neglect“. Die anderen Lieder sind bisher unveröffentlichte Tracks.

So entsteht das Konzept eines Archivs des eigenen Schaffens. Ein lebender Organismus. Ein sich stetig weiter entwickelndes Projekt.

Die Atmosphäre ist bedrückend und dystopisch. Aus dem Synthesizer zucken bedrohlich zischende Frequenzen wie Lichtbögen an einem faradayschen Käfig. Die Gitarre klopft mit wütend klatschende Riffs ans Trommelfell.

Man fühlt sich unbehaglich. Dieses Album erstickt mit seinen endzeitlichen Klängen die Stille. Kein Atemzug vergeht ohne die tonale Dringlichkeit der Musik von Ben Frost.

Und dann sieht man sie. Die Ruinen der Städte. Einst große Metropolen der Menschheit. Nun versunken in Schutt und Staub und Vergeblichkeit. Blitze zucken über den wolkenverhangenen Himmel. Für einen Augenblick erleuchten sie die Stahlskelette der einstigen Großstädte. Wir sehen Arenen und Konzertpaläste.

Den Blitzen folgt jedoch kein Donner. Stattdessen hören wir die Jubelschreie tausender Fans. Sie fiebern ihren längst verblichenen Idolen nach. Es sind die Jubelschreie von Geistern.

Ben Frost hat mit „Under Certain Light And Atmospheric Conditions“ ein Live-Album für die Nachwelt geschaffen. Eine Nachwelt aus Schutz und Staub und Vergeblichkeit.

Die mobile Version verlassen