Dass Die Höchste Eisenbahn ausgerechnet im Karlstorbahnhof aufspielt, gibt dem Ganzen schon vor Beginn des gestrigen Konzerts eine amüsante Note. Eisenbahn – Bahnhof. Passt das nicht zum Humor der vierköpfigen Band, die mit „Wenn wir uns wiedersehen schreien wir uns wieder an“ gerade ihr viertes Studioalbum veröffentlicht hat?
Dass das Kulturzentrum Karlstorbahnhof seit 2022 gar nicht mehr im gleichnamigen Bahnhof in der Heidelberger Altstadt beheimatet ist und hier, ein paar Kilometer von alter Wirkungsstätte entfernt, nun alles ganz neu und gemütlich glänzt: sei’s drum.
Der musikalische Anpfiff für diesen Abend obliegt dem sympathischen Albrecht Schrader, der das Publikum, das eben noch in der Eiseskälte in der Schlange gestanden hatte, mit subtilem Humor und feinem Klavierspiel schnell erwärmt.
„Ist Musik noch unser Ding?“, singt Schrader fragend mit Blick auf eine Welt voller Plattformen, die hauptsächlich den Interessen „durchgeknallter Milliardäre“ dienen. Wer Musizierende unterstützen möchte, sollte, so der Subtext, statt zu streamen lieber an den Merch-Stand, den er – ins Bild passend – mit einem kleinen Bahnhofskiosk vergleicht.
Doch für Gedanken darüber, welchen Streaming-Account man denn nun als erstes lösche, bleibt keine Zeit, denn plötzlich stehen Francesco Wilking, Moritz Krämer, Felix Weigt und Max Schröder auf der Bühne. Zum Auftakt gibt’s „Ich komm gleich nach“ – ein Song über Verspätungen, Zeit und eine vor der Nase weggefahrene Trambahn.
Womit wir zurück beim Thema wären. Auf dem im September erschienenen Album spielt die Bahn eine wichtige Rolle. Manchmal fährt sie davon, manchmal bleibt sie stehen – und dann wieder, wie im zweiten an diesem Abend gespielten Song („Die Bahn“) schenkt sie ihren Insassen Sicherheit und Kraft.
Den Songschreibern Wilking und Krämer schenkt das öffentliche Verkehrsmittel, so ein kurzer Gedanke zwischendurch, das optimale Umfeld für die Settings ihrer Texte. Denn spielt sich das Leben nicht genau dort ab, wo alles anders verläuft, als wir es ursprünglich – mit dem Kauf einer Fahrkarte – gebucht haben?
Kraftvoll und energisch entfalten Wilking, Krämer & Co. mit jedem Stück ihre Bühnenpräsenz ein wenig mehr. Und spätestens beim herrlich-ironischen „Timmy“ scheint die Einheit zwischen der Band und den ca. 400 Gästen, die Wilking im gemeinsamen Singen und Lachen koordiniert, unverbrüchlich.
Auch wenn der Fokus auf den Songs des neuen Longplayers liegt, werden auch immer wieder ältere Stücke gespielt, die nach augenzwinkernder Auskunft Felix Weigts nicht nur „sitzen wie ’ne Eins“, sondern überdies auch viel mehr Spaß machen. Zum Glück lässt Weigt uns an diesem Spaß teilhaben und beglückt das jubelnde Publikum mit einem tollen Bass-Solo auf der Power-Ballade „Isi“.
Überhaupt macht der Abend deutlich, wie vielseitig die vier Musiker der Höchsten Eisenbahn sind. Ein jeder kriegt – egal an welchem Instrument – seinen Raum. Max Schröder, die Konstante am Schlagzeug, brilliert unter anderem auf dem anrührend-schönen „Ich seh Dich an und ich seh mich“.
So rauscht man – wie der ICE zwischen Berlin und Hannover – durch diesen Abend. Beim Klassiker „Was machst du dann?“ findet man sich kurzzeitig in der Hocke, um sogleich, gemeinsam mit all den anderen, in die Luft zu springen.
Nachdem das Publikum die Band durch Zugaben-Rufe zurück auf die Bühne geholt hat, wird laut und vernehmlich nach der Hitsingle „Bürotage“ verlangt. Kaum angespielt, fällt das erstaunlich textsichere Publikum in Ekstase. Zwei Songs später ist dann jedoch – mit „Schau in den Lauf, Hase“ – Endstation. Ein gelungenes Konzert.
Nach letzten Einkäufen am Merch-Stand (vorbei an den Interessen der Milliardäre) geht es zurück in die Minustemperaturen der Heidelberger Nacht. Und viele, noch innerlich erwärmt, werden sich einig sein: Wenn wir uns wiedersehen, stellen wir uns wieder an.

