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Sparks – MAD!

Auch auf ihrem 27. Album in 54 Jahren Studiotätigkeit der Sparks zahlt sich die Frühförderung für Tastenspieler Ron Mael wieder aus, der schon als Kind am Klavier hockte. „MAD!“ profitiert weithin von seinem versierten Umgang mit brummenden Analog-Synthesizern und Einsprengseln der Klassik im Schulterschluss mit Pop.

So erscheint unter dem rätselhaften Songtitel „I-405 Rules“ eine Pop-Operette. Das Synth-Geigen-Stakkato von „Don’t Dog It“ lässt bisweilen an Mike Oldfield denken. Die surrenden Klangfarben und Arpeggio-Sequenzen von „Running Up A Tab At The Hotel For The Fab“ würden in einem Soundtrack eine gute Figur machen.

Geprägt hat das Gebrüder-Duo aus Los Angeles, das sich um wechselnde Session-Musiker ergänzt, von Anfang an die Entwicklung des Art-Pop und dessen Anreicherung mit Synthesizern. In den Siebzigern stießen die Maels dabei auf Produzenten wie Tony Visconti und Giorgio Moroder.

An diese Zeit erinnern insbesondere der Surf-Pop „JanSport Backpack“ und das softe „My Devotion“. Dieses liebliche Lied untersucht die verschiedenen wahnhaften Formen von Hingabe an religiöse Ideen oder Sport-Mannschaften, parasoziale Beziehungen zu Berühmtheiten und klettenhafte völlige Abhängigkeit in einer Partnerschaft.

Musikalisch referiert dieses leicht mitpfeifbare Singalong auf Bryan Ferry und Roxy Music und auf die Phase, als die Sparks einst loslegten, um ihren eigenwilligen Stil zu finden. Parallelen zu OMD sind ebenso erkennbar, allerdings prägt Russell Maes näselnder Vortrag den Song ganz unverwechselbar.

Sparks waren lange gewohnt, für die größten Firmen in der Musikindustrie aufzunehmen: Ariola, Atlantic, Columbia, Elektra, bei ihren größten Erfolgen und zuletzt wieder 2023 für Island, außerdem MCA, RCA, Rhino, Roadrunner, Virgin und Warner. Eine Zeitlang rutschten sie als Indie-Künstler ohne festes Label und mit Veröffentlichungen auf eigene Faust in die kommerzielle Bedeutungslosigkeit.

Eine gemeinsame Platte mit Franz Ferdinand via Domino katapultierte sie im Jahr 2015 überraschend wieder auf den Radar. Es folgten zwei Alben über BMG, das rockige „Hippopotamus“ mit Kammermusik-Ansätzen und das verspielte wie auch abwechslungsreiche „A Steady Drip, Drip, Drip“.

Dort, wie auch zuletzt beim ebenfalls verkaufsstarken „The Girl Is Crying In Her Latte„, stellten sich jeweils die Texte als zentrales Anliegen der Sparks heraus, während sich die gestalterische Umsetzung als eher halb-gut erwies. Dieses Durchwachsene wiederholt sich jetzt, derweil die Sparks beim Londoner Indie-Label Transgressive erscheinen.

Dass die Maels-Brüder überhaupt schon so lange musizieren, war übrigens nie beabsichtigt. „Wir sind da hinein gestolpert“, erklärte Russell 2023 im New Yorker Magazin Big Takeover. „Die Dinge eskalierten irgendwie, aber es gab nie eine bewusste Karriere-Entscheidung. (…) Wir genießen einfach, was wir tun.“

Diese Freude merkt man. Sie kommt aus dem Spaß daran, den Alltag zu beobachten, spöttisch infrage zu stellen und Musik mit Dramatik zu pfeffern. Dazu passt, dass die Sparks auch mit Oper- und Soundtrack-Formaten spielten, wie zuletzt „Annette“, verfasst in Kooperation mit einem Filmregisseur. Zählt man dieses Werk zur Diskographie, ist „MAD!“ sogar der 28. Longplayer der Sparks.

Mit ihrer subtilen Ähnlichkeit zum Electric Light Orchestra bei zugleich weniger Bombast verschafften sich Sparks immer wieder Gehör in Großbritannien, Österreich und Deutschland. In ihrer Heimat USA hingegen gelangen ihnen selten große Erfolge, der Vorgänger „The Girl Is Crying In Her Latte“ war eine Ausnahme.

Nicht immer zeigt Ron sein Händchen für spannende Melodien, wenn man etwa das monotone „In Daylight“ über sich ergehen lässt. „Hit Me, Baby“ ist ein Füll-Stück, der Opener „Do Things My Own Way“ im Widerspruch zum Textinhalt farblos bis nichtssagend. Glam-Rock-Versatzstücke in „A Little Bit Of Light Banger“ wieder zu beleben, klingt nett, strahlt indes nur mäßiges Charisma aus.

Auf der Haben-Seite stehen aber ganz großartige Momente wie im atmosphärischen „A Long Red Light“. Der Track ruft die frühere Eröffnungs-Ticker-Musik des „heute-journal“ mit den Morse-Codes in Erinnerung.

Eine weitere Perle glänzt mit „Drowned In A Sea Of Tears“, wo sich Russell wieder zu seinem Markenzeichen, dem Falsett-Gesang, aufschwingt. Als „MAD!“ betrachten die Kalifornier verschiedene Mode-Trends von Marken-Gläubigkeit bis Tattoo-Sammelsucht.

So aggressiv wie 2020 („Put your fucking iPhone down and listen to me!“) formulieren sie dieses Mal aber nicht, sondern belassen es bei sanfter und oft kaum spürbarer Ironie sowie Song-Titeln, die Fragezeichen im Kopf auslösen.

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