Der Mensch ist eine Summe von Molekülen. Im großen Ganzen des Universums hält sich seine Bedeutung daher in Grenzen. Asaf Avidan breitet auf „Unfurl“ mit philosophischen Texten seine Weltsicht aus und findet dafür ausschließlich Klänge, die nicht aus Computern stammen.

Durch alle Songs hindurch legen die orchestralen Arrangements eigentlich schon eine starke Wucht vor, schmettern Volumen und Eindringlichkeit in den Raum. Jedes Mal pariert Asaf diese Steilvorlagen mit massiven und lebhaft gesteigerten Gesängen.

Dem kosmopolitisch in Israel und Jamaika aufgewachsenen Singer/Songwriter zuzuhören ist, wie wenn man mit den Ohren einen Film guckt. Avidan erweist sich als wandlungsfähiger Schauspieler, als interessanter Hauptdarsteller. Das passt dazu, dass er einst Synchronisation und Film studiert hat. Die Aufbereitung seiner neuen Lieder im Spannungsfeld scheppernder Marschtrommelschläge und verschmuster Geigenanstriche hat etwas Kinematografisches.

Für die Räume, die seine Art-Pop-Tracks eröffnen, nimmt sich Asaf Avidan viel Zeit. So kommt er mit acht Stücken schon auf Albumlänge. Sie ufern jeweils aus, aber dabei wiederholt sich nichts. In jedem Song gibt es einen klaren dramaturgischen Bogen. Jedes Element hat seinen Platz. Die üppige Ausstattung mit orchestralen Zutaten folgt einer Vision.

Der 45-Jährige spielt mit großen Begriffen, Himmel und Erde, Zeit und Ewigkeit, Existenz und Endlichkeit, Traum und schnöder materieller Wirklichkeit. Mit dem entsprechend bunt klangkolorierten „Unfurl“ lässt sich dem Klein-Klein des Alltags auf wundersame Weise entfliehen.

Bewegte sich das Album „Anagnorisis“ vor fünf Jahren noch zwischen Trip-Hop, Folktronica und einem Blues-Pop, der mindestens so affin zum Mainstream war wie Rag’n’Bone Man, darf jetzt nicht mal das mikroskopisch kleinste Plug-in zu hören sein.

Seit sich Asaf von den Major-Plattenfirmen abgewandt hat und auf eigene Faust veröffentlicht, hat er viel mediale Aufmerksamkeit eingebüßt. Seinem Ziel, sich stets neu zu erfinden und aus dem Fahrwasser einer Stilmixtur regelmäßig auszubrechen, bleibt er treu.

„Unfurl“ ist zwar ein recht spezielles Werk geworden, aber auch ein interessantes.

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