Eigentlich ist Keaton Henson der geborene Musiker für das TikTok-Zeitalter: Wegen seines großen Lampenfiebers meidet der Brite das Rampenlicht, seine Musik entfaltet aber auch im eigenen Zuhause seine volle Wirkung. „Parader“ ist in seiner hemdsärmeligen Dramatik der perfekte Wegbegleiter für Laubhaufen und Kastanien-Sammeln.
Gerade die introspektive Sanftmut, die Hensons Werk ausatmet, ist der Grund für den kleinen Szene-Hype um den Musiker. Dabei ist „Parader“ gar nicht per se ein leises Album – in der ersten Albumhälfte finden sich mit Songs wie „Don’t I Just“, „Insomnia“ oder „Operator“ sehr geradlinige Momente mit LoFi-Gitarrenfinale.
Schön ist: Henson klingt nicht (nur) nach kauziger Indie-Hütte, sondern hat auch ein großes Herz für Pop und Eingängigkeit. Nachzuhören ist das in „Lazy Magician“ mit Gastsängerin Julia Steiner (Ratboys), das zum Aufwärmen für Headliner Hozier eine tolle Figur machen würde.
Ansonsten gilt: je mehr Kopfstimme, desto ruhiger wird es. Vor gezupfter Gitarre haucht Henson in „Conversation Coach“ über die Herausforderungen der Zwischenmenschlichkeit als introvertierte Person und „Tell Me So“ stimmt den Feuerzeug-Moment an.
„Parader“ strahlt nicht mit absolut innovativen Sounds oder einer völlig einzigartigen Idee. Dafür aber mit einer kaminwarmen Ausstrahlung und einem sehr gefühlvollen Grundton. So etwas kann eine KI nicht schreiben (hoffentlich) und auch, wenn es vermutlich nicht zum Live-Erlebnis kommen wird, ist das Konzert vor dem inneren Auge schon bahnbrechend genug.
Das Herz für detailliertes Songwriting macht „Parader“ dabei besonders, mit Kopfhörern kann hinter den angenehm eingängigen Melodien immer noch eine kleine Sound-Spielerei entdeckt werden. Die sanften Harmonien von „Tourniquet“ oder die hauchdünnen Streicher in „Tell Me So“ sind dafür ein gutes Beispiel: aufdringlich muss es gar nicht sein, aber im gesamten Erlebnis wird das Album damit zur Wohltat.
Eine Sache fehlt dem Album zum TikTok-Hype dann aber vielleicht doch: dieser eine Song, diese eine Hook, der die Herbst-Atmosphäre besonders gut zusammenfasst. Aber sei’s drum: Henson schafft es, auf Albumlänge zu begeistern. Das hält länger warm.
