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Cat Power – Live im Columbia Theater, Berlin

Right in the feels! Wer die unzuverlässige Wankelmütigkeit der musikalisch über jeden Zweifel erhabenen Cat Power bereits erlebt hat – wie sie ohne Begründung Shows erst am selben Tag canceled, wie sie, die Krise bekommen habend, nach einer halben Stunde abbricht, wie sie ganze Shows hinter sich gebracht hat, ohne ein Wort mit dem Publikum zu wechseln – der dürfte erstaunt sein zu lesen, dass man gestern Zeuge wurde einer ganz außerordentlichen Verwandlung.

Chan Marshall aka Cat Power hat gestern einen traumhaft herzlichen, vor Emotionen überschäumenden, höchst intimen und beseelten Soloauftritt hingelegt, bei dem wenige Augen trocken blieben. Ohne Band, mit lediglich zwei Mikrofonen, einer Gitarre und einem Klavier stand sie ihre Frau vor übervollem und am Ende überglücklichem Hause.

Cat Powers Musik ist und bleibt eine fragile Angelegenheit, Emotionsverarbeitung an der Grenze psychischer Belastbarkeit. Da bringt man mehr Verständnis für etwaige antics auf als für, sagen wir, Taylor Swifts Beziehungsgedöns. Trotzdem eilt Cat Power aufgrund bestimmter Vorkommnisse in der Vergangenheit ein bestimmter Live-Ruf voraus.

Doch wie weggeblasen vom jetzigen Räucherstäbchen am Gitarrenkopf, statt der früheren Fluppe, wurden alle Befürchtungen mit Konzertbeginn: Wie die Marshall zunächst schüchtern und fast ängstlich die ersten drei Songs stehend an der Gitarre vortrug, um anschließend tee-gestärkt und souveräner am Klavier die letzten Herzen im Saale zu schmelzen, war ein famoses Schauspiel.

Und wieder die alte Regel: Der bedingungslosen Liebe eines Publikums kann sich selbst der introvertierteste Mensch schwer entziehen. Und so fand im wunderbaren Konzertverlauf eine gegenseitige Befruchtung statt, und Cat Power öffnete ihr Seelenleben abseits der vorgetragenen Songs in gänzlich ungewohnter Manier und erklärte freimütig, warum ihre Berlin-Show vor gut einem Jahr ausfallen musste, Schwangerschaftsübelkeit, jep, Chan Marshall ist mit Anfang vierzig zum ersten Mal Mutter geworden.

Viele Acts bekunden, wie einmalig ihr Publikum und der jeweilige Abend für sie ist. Cat Power tut das im Grunde nie. Umso berührender, sie mit Krokodilstränen auf der Bühne zu erleben und aufrichtige Dankbarkeit zu stammeln für so viel Liebe wegen eines Abends, der einen mehr oder weniger durch alle neun Cat Power-Alben führte.

Es war höchstwahrscheinlich nicht geplant, alleine zwei Stunden auf der Bühne zu performen, doch wer neben Ovationen auch noch beeindruckende Blumen und hübsch verpackte Briefe aus dem Auditorium erhält, der kann wohl nicht anders, als ein bisschen zu schluchzen und noch ein bisschen länger alles zu geben.

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