„Erotica Veronica“ ist ein Titel mit Ansage: Miya Folick lädt auf dieser Platte ein, gemeinsam queeres Verlangen in einer heteronormativen Welt zu entdecken. Es wird explizit, sinnlich, leidenschaftlich und gleichzeitig richtig hittig.
Es sind die kleinen Zeilen, die „Erotica Veronica“ so spannend machen: „Now you’re drinking coffee with a serial monogamist“ heißt es im Opener „Erotica“. Sarkastische Kommentare zu einer Welt, die laut Folick puritanischer ist als sie sich selbst gerne darstellt. Der Aufruf zu mehr Intimität und Kreativität in der Sinnlichkeit klingt schon hier nach wunderschön arrangiertem Alt-Pop.
Zwischen diesen Polen flirrt die Hingabe der Platte nun daher. Das klingt bei „La Da Da“ nach sonnigem Charts-Pop, bei „Felicity“ werden verschrobene Streicher als Amors Begleitband eingesetzt – und „Love Wants Me Dead“ wirft sich in völliger Selbstaufgabe in ein Meer aus krachenden Gitarren-Riffs. Das Zusammenspiel aus diesen verschiedenen Stimmungslagen zeichnet ein Kaleidoskop aus queerer Sexualität.
Besonders schön: Bei all diesen Eindrücken lässt Folick immer auch Platz für Ruhe und besondere Narrative. Im Spannfeld zwischen Hingabe und Bedenken zittert sich „Alaska“ durch eine Geschichte aus dem Friends-to-Lovers-Bereich (Roman-Erzählmuster, bei dem sich eigentlich nur befreundete Paare verlieben, Anm. der Red.). Das klingt nach einer lupenreinen Bewerbung für den Soundtrack der nächsten Netflix-Serie – im besten Sinne.
Ganz anders geht „Fist“ an den Folick-Sound heran: Vielfältige Folk-Instrumente schichten sich hier in bester boygenius-Manier aufeinander, um zwischenmenschliche Spannung auf die Bühne zu bekommen. Dabei entstehen dann so buch-reife Sätze wie „You said you wanted to lose your weight and you did / Now I miss your molecules“, die sich auch bestens im nächsten BookTok-Roman machen würden.
Folick selbst wirft sich mit ihrer ohnehin außergewöhnlichen Stimme immer wieder in die sinnliche Kopfstimme, lässt aber auch mehr Intimität zu als auf vorherigen Platten. Gänsehaut pur ist das in der Vorab-Single „This Time Around“, das vor lauter Intensität zu beben scheint.
All das im Namen der queeren Erotik. Was für ein Album!