Ein Album voller Statements. Statements, aufgeladen mit pulsierender Musik. Inhalt und Sound sind bei der iranischen Sängerin, Songwriterin und Aktivistin Faravaz nicht voneinander zu trennen. Ihr neues Album heißt „Azadi“, auf Farsi „Freiheit“. Und genau so klingt diese Platte auch – ganz ohne Kompromisse und Maulkorb.

„If god gave men all the power / why is he killing all women like a coward?“ fragt „Enemy Of God“, Gänsehaut ist dank dieser treffenden Zeile angesichts der schrecklichen Lebensrealitäten von Frauen im Iran unabwendbar. Der gesamte Song: Musik gewordener Widerstand gegen den sogenannten Gottesstaat. Die Beats knacken, Faravaz rappt und singt on point.

Dabei ist das nur die Fortsetzung des Openers „Mullah“, diesem Tabubruch – vor an Janelle Monáe erinnernde Sounds fantasiert das lyrische Ich über sexuelle Praktiken mit Mullahs und sprengt dabei jegliche Konventionen.

Dieses empowerment, das Faravaz verkörpert, ist schon seit Jahren bemerkenswert, so radikal und gleichzeitig hittig wie hier klang es bis dato noch nie.

Neben diesem Duo Infernale, das das Album so gigantisch eröffnet, gibt es auf „Azadi“, das ursprünglich mal „Woman, Life, Freedom“ genannt werden sollte, viele Schattierungen zu entdecken:

Es gibt einen an Lizzo geschulten Sound, der genau so sexuell explizit wird wie der Titel „Fuck Me In The Ass“ vermuten lässt.

Es gibt feministische Utopien in „Real World“, wo Faravaz vor flackernden Synthies von einer Welt ohne Männer fantasiert.

Es gibt den Spoken Word-Song „Azadi“, bei dem Faravaz Zeilen wie „I was freedom when I divorced“ singt.

Es gibt absurd-spaßige Szenen wie in „Taxi Driver“, das schlicht darum geht, dass Faravaz niemals, unter gar keinen Umständen eine Taxifahrerin sein möchte. Dazu eskaliert plötzlich eine 90er Trance-Party. Berlin, wo Faravaz mittlerweile wohnt, scheint seine Spuren hinterlassen zu haben.

All das ist schon überhaupt großartig, unterhaltsam, eigenwillig und ungestüm genug. Die Verbindung aus fetter Produktion, kompromissloser Attitüde und einer ganz eigenwilligen Sound-Welt setzt dem die Krone auf.

Und dann steht diese Dringlichkeit der Inhalte angesichts unserer patriarchalen Welt im Allgemeinen und der Situation im Iran im Speziellen auch noch jedem Song mehr oder weniger subtil ins Gesicht geschrieben.

„Ey Iran“ ist dafür das wichtigste, bewegendste Stück. Hier singt Faravaz auf Farsi und Deutsch über die Realität, über die Geschichte und den Widerstand. Der Refrain: „Hey Iran, seit 40 Jahren singen deine Töchter keine Lieder“.

Eine Platte, die man dieses Jahr gehört haben muss. Und wie Faravaz selbst sagt: Die Waffe, die sie für diesen Widerstand gewählt hat. Gigantisch.

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