20 Jahre sind in der Musik etwa so lang wie ein Twitter-Thread über Vinyl-Romantik – theoretisch endlos, praktisch aber schnell vergessen. Im Münchner Zenith bewiesen Bloc Party gestern Abend, dass Zeit ein merkwürdiger Begleiter ist, der nicht nur Erinnerungen, sondern auch Ecken und Kanten manchmal etwas zu glatt poliert.

Die britische Band um Kele Okereke war für ihre Jubiläumstour zu „Silent Alarm“ nach München gekommen, um ein Debütalbum zu feiern, das 2005 die Indie-Landschaft gehörig aufwirbelte.

Die Show begann mit „So Here We Are“, einem Titel, der ungewollt zum Motto des Abends wurde. Hier waren wir also, zwei Jahrzehnte später, mit einem Kele, der seine Deutschkenntnisse charmant zur Schau stellte: „Eins zwei, eins zwei drei vier“ zum Auftakt von „Price Of Gasoline“. Es war einer jener Momente, in denen die Distanz zwischen Bühne und Publikum schmolz.

Doch zwischen den Liedern eines Albums, das einst Geschichte schrieb, lag gestern etwas Wehmütiges. Die ursprünglichen Gründungsmitglieder Matt Tong und Gordon Moakes sind längst durch Harry Deacon am Bass und Schlagzeugerin Louise Bartle ersetzt worden – eine Besetzung, die technisch einwandfrei funktionierte, aber die emotionale Spannung der Anfangsjahre doch vermissen ließ.

Bei „Blue Light“ sang das Publikum „That’s the way it is“ lauthals, animiert vom Sänger, mit, doch nach kurzem Zögern beim zweiten Mal musste Kele nachhelfen: „Don’t make me ask twice.“ Ein Moment, der die Beziehung zwischen alternden Indie-Helden und ihrer Fanbase perfekt einfing – liebevoll, aber mit einem Hauch von Melancholie.

Bei einigen Songs schien der Band die Konzentration zu fehlen, als würden sie sich dabei ertappen, wie sie ihre eigene Vergangenheit interpretierten. Insbesondere die eigentlichen Jubiläumssongs ließen die emotionale Spannung von damals vermissen und klangen eher nach einer Coverband.

Die große Ekstase wollte nicht so richtig aufkommen, besonders für jene, die nostalgische Erinnerungen an die wilden Konzerte der späten Nullerjahre pflegen. Damals war alles irgendwie dringlicher, hungriger, weniger kalkuliert.

Der wahre Protagonist des Abends war ein Fan mit einer Konfetti-Kanone und offenbar einem Rucksack voll passender Munition. Mindestens sieben Mal verwandelte dieser enthusiastische Anarchist ein Fleckchen inmitten des Publikums in einen Farbensturm. Es war, als hätte jemand beschlossen, dass diesem Konzert etwas mehr Glitzer im Leben fehlt.

„Like Eating Glass“ zum Ende des Hauptteils animierte Okereke dynamisch vom Bühnenrand aus, doch der Song hatte seine scharfen Kanten verloren – aus Glasscherben waren kleine Kieselsteine geworden, die nach einer reichlichen Stunde Spielzeit auf den Bühnenboden rieselten.

Erst bei der Zugabe erwachte mit „Where Is Home?“ endlich die ersehnte, seit „So Here We Are“ angefacht verharrende Magie. Das Publikum sang „Everybody moved on“ noch vor Kele Okereke ins Mikrofon – ein ungewollt perfektes Abbild des Abends: Alle sind weiter gezogen, aber niemand wollte es wirklich zugeben.

„This Modern Love“ beendete das Konzert versöhnlich mit einer tanzenden Halle, bevor Bloc Party den „Happy Engagement Price“ an den aktivsten Fan vergaben – vermutlich an unseren Konfetti-Helden, der den Abend mit buntem Papier gerettet hat.

Nostalgie ist letztlich ein zweischneidiges Schwert: Sie kann verzaubern oder ernüchtern. Bloc Party gelangen gestern Abend beides.

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