Man könnte fast meinen, das Echelon Festival in Bad Aibling hätte sich dieses Jahr vom konventionellen Drehbuch verabschiedet – doch wohl kaum jemand erwartete eine derart dramatische Neuinterpretation. Auf dem Gelände der ehemaligen US-Militärbasis, wo früher Soldaten*innen ihre Routine abspulten, sollten eigentlich über 100 Künstler*innen für elektronische Ekstase sorgen. Stattdessen lieferte Petrus höchstpersönlich den finalen Act.

Der Freitag startete mit einer Hitze, die selbst Wüstenfüchse ins Schwitzen gebracht hätte. Der der Zeltaufbau geriet zur schweißtreibenden Extremsportart, die ersten BRK Sanitäter kurvten über das Gelände, ein Zeichen dafür, dass die Sonne ihre Rolle als Festival-Headliner etwas zu ernst nahm.

Währenddessen lernten die Festivalbesucher*innen eine neue Wahrheit: Kostenloses Wasser gab es heuer nur an einem übergroßen Wasserventilator, die einst geschätzten Wasserhähne an ordentlichen Toiletten waren Dixie-Klos gewichen. Wasser als Luxusgut – ein Lehrstück über die Ökonomie des Durstes.

Um 14:00 Uhr eröffnete Danca den Tag auf der Echo Stage. Die Sonne stand hoch, die Crowd blieb zunächst im Schatten der Hangars, aber Danca hämmerte ungerührt ersten Beats in die flimmernde Luft. Wer tanzte, tat das entschlossen, wer nicht, schwitzte solidarisch mit.

Gegen 17:00 teilte sich das Feld: Daniel S. traktierte die Hade Cage mit gradlinigem Druck, während Mark Dekoda zeitgleich die Nebula Stage in Schwingung versetzte. Ein Bass-Pendel über die Festivalwiese: hier kantiger, dort hymnischer – beides ausreichend, um die Sommer-Müdigkeit aus den Waden zu bügeln und die Dixie-Schlange für einen Moment vergessen zu machen.

Als die Temperaturen sanken, übernahm Stella Bossi um 20:00 Uhr die Radiant Stage und verwandelte die abendliche Abkühlung in elektronische Poesie. Zwischen Rauchfontänen und Smartphone-Wäldern verdichtete sie den Abend zur Pflichtstunde für die Spätankommer*innen.

Kaagee aka KomaCasper heizte um 22:00 Uhr die noch sehr warme Luft weiter ein, ein quirliger Zwischenstopp im nächtlichen Parcours, der dem Gelände die Coolness eines Off-Clubs verpasste und den Puls noch einmal hochzog, kurz bevor die Dramaturgie von der Bühne an den Himmel übergab.

Harris & Ford sorgten um 23:00 Uhr mit spektakulären Feuerwerfern auf der Radiant Stage für visuellen Höhenflug und eine Show, die allerdings nicht wie geplant endete.

Denn um 23:50 Uhr folgte die Durchsage, die niemand auf der Bingo- bzw. Wetterkarte hatte: „Aufgrund der aktuellen Wetterlage, begebt euch bitte geordnet und ruhig in eure Fahrzeuge.“ Warnblinker sollten leere Plätze signalisieren – eine fürsorglich improvisierte Fahrgemeinschaftsbörse der besonderen Art.

Während die meisten Besucher*innen gehorsam in Richtung Parkplatz pilgerten, sicherten andere hastig ihre Zelt-Pavillons – als könnte man Naturgewalten mit Heringen bekämpfen.

Nach etwas Regen kam um gegen 0:50 Uhr die Entwarnung der aufmerksamen Festivalleitung und die Einladung zur Afterparty in der Hade Cage und Symbiotika. Kollektives Aufatmen, das jedoch nicht lange währte. Um ca. 2:00 Uhr entfesselte sich das wahre Drama, diesmal jedoch ohne Vorwarnung:

Starkregen und Sturm verwandelten das Gelände in eine Wasserlandschaft, in der geschätzte 92% der Faltpavillons im gemeinschaftlichen Kollaps ihre finale Performance gaben. Verzweifelte Zeltretter*innen kämpften bis in die Morgenstunden. Um 4:00 Uhr mutierte die Hade Cage zur Notherberge mit Feldbetten und Decken.

Der heutige Samstagmorgen brachte Exodus und Schadensbegutachtung, bevor um 11:00 Uhr das finale Urteil fiel, das viele erschöpft durchgeweichte Abreisende gar nicht mehr mitbekamen: Festivalbühnen zu beschädigt, Zeltplatz überschwemmt, Wege unpassierbar. Das Echelon Festival 2025 war Geschichte.

So endete ein Wochenende, das eigentlich für elektronische Euphorie stehen sollte, nach nur einem Tag mit einer Lektion in meteorologischer Demut. Die Natur hat uns einmal mehr bewiesen: Sie ist die unschlagbare Headlinerin, wenn es darum geht, unvergessliche Shows zu liefern.

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