Mit „Do You“ legt Felix Raphael ein erstaunlich reifes Erstwerk vor – eines, das sich als Melodic House betiteln lässt. Das ist so eine Wortschöpfung, die erst einmal stutzig macht. Schließlich gibt es kaum ein Genre, das bei fundamentaler Geräuschkulisse nicht auch einen kleinen Stiefbruder kennt, den man beim Vornamen ‚Melodic‘ ruft. Selbst der Hardcore weiß ihn in seinem Stammbaum.

Wenn zum Auftakt  „Where I Begin“ zarte Synth- und Pianotupfer über einen flimmernden Beat tänzeln und der Multiinstrumentalist mit Wohnsitz Berlin seine pathetische Stimme erhebt, ergibt diese Wortkreation allerdings wie von selbst Sinn. Gerade weil hier für elektronisch grundierte Musik regelrecht überbordend viel aus Melodie geformt ist.

Und wo Melodie und Harmonie im Zweifel höher gewichtet sind als der Beat, steht offensichtlich auch der Inhalt mehr im Fokus. Über 16 Tracks, gegliedert in vier thematische Phasen, entfaltet Felix Raphael ein Panorama zwischen Selbstzweifel, Orientierungslosigkeit und der geduldigen Rückkehr zu sich selbst.

Das lässt sich bisweilen schon an den Songtiteln ablesen, die nach einem Schlagwort die Klammer öffnen, um nachzufassen. Wie etwa „Therapy (Leave Me On My Own)”  oder „Compass (How To Stay Aligned)“, zwei exemplarische Tracks, die die Dualität des Albums zeigen: textlich ringend, musikalisch warm.

Hier wie in vielen anderen Stücken klingen Raphaels musikalische Wurzeln durch, die nicht im digitalen Perfektionismus liegen, sondern im handwerklichen Musizieren. Gitarre, Klavier, Synths und sogar das neu erlernte Flügelhorn sind weniger Beiwerk als emotionales Grundgerüst.

Die Vorabsingle „Creation (No Matter How Far I Go)“ zeichnet ein weich anmutendes Piano und Raphaels verletzliche Stimme über einem fein austarierten elektronischen Unterbau, der nicht drückt, sondern trägt. Raphael sucht hier keinen euphorischen Drop, sondern das Gefühl dahinter.

„Do You“ öffnet auf diese Weise ein sehr persönliches, manchmal schmerzhaft ehrliches Kapitel von der Innenwelt des Künstlers. Heraus kommt ein Album, das zwischen introspektivem Indie-Folk, organischen House-Strukturen und Singer/Songwriter-Sensibilität der Melodie und somit der Emotionalität den Vortritt lässt. Melodic House!

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