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Meine Stimme wird sogar immer höher – Andreas Dorau im Interview

AndreasDorau (Credit Soenke Held)Am heutigen Sonntag wird Andreas Dorau 50. Dabei  klingt der NDW-Star mit dem traurigen Blick auch auf seinem neuen Album „Aus der Bibliotheque“ wie auf den acht vorigen: so hoch, so heiter und kindlich wie bei seinem Debüt als „Fred vom Jupiter“ vor 33 Jahren. Seither hat sich viel getan – und wenig, meint Andreas Dorau, der gern schnell arbeitet, also nicht so gern mit Bands, aber Kontinuität schätzt. Dafür ist er in die Leihbücherei gegangen und hat sich für 13 federleichte Stücke rund um den Charme gebrauchter Bücher inspirieren lassen.

MusikBlog: Andreas, es tut mir leid, so uncharmant einzusteigen, aber du wirst allen Ernstes 50 Jahre alt!

Andreas: Ja.

MusikBlog: Ändert das irgendwas in deinem Leben?

Andreas: Also ich hoffe nicht. Zunächst muss man aber auch die Frage stellen: Was bedeutet denn diese 50 nun? Mit 18 verändert sich ja wirklich etwas Substanzielles – man darf wählen, ein Auto bewegen, Verträge unterschreiben, in der Öffentlichkeit rauchen. Und mit 67 kommt die Rente. Ansonsten sind Altersgrenzen – ob 27, 45 oder eben 50 – erstmal nur Zahlen. Da passiert nichts Messbares.

MusikBlog: Aber etwas im Kopf womöglich?

Andreas: Bei mir nicht. Was denn auch?

MusikBlog: Zum Beispiel das Gefühl, jetzt doch mal vollends erwachsen werden zu müssen.

Andreas: Und was heißt das jetzt wieder? Frau und Kinder zu haben, um zehn ins Bett zu gehen? Was könnte bei mir schlagartig erwachsen werden?

MusikBlog: Die Stimme zum Beispiel, bei der man noch immer das Gefühl hat, mit ihr singt der 15-Jährige aus „Fred vom Jupiter“.

Andreas: Es stimmt schon: bei den meisten Sängern – zu denen ich mich im Grunde ja gar nicht zähle – wird die Stimme mit dem Alter immer tiefer. Bei mir scheint es umgekehrt zu sein: sie wird sogar höher. Keine Ahnung warum, vielleicht atme ich besser, das Rauchen hat was gebracht; ich verstelle jedenfalls nichts.

MusikBlog: Andernfalls müsstest du das vielleicht sogar gezielt tun, und sei es mit digitalen Hilfsmitteln. Andreas Doraus Stimme ist schließlich eine Art Alleinstellungsmerkmal.

Andreas: Oh, ich dachte mehr, mein Alleinstellungsmerkmal sei es, schief zu singen – was ich am Anfang meiner Karriere auch fraglos getan habe. Andererseits gibt es Schlimmeres als schief zu singen; schlechte Texte zum Beispiel…

MusikBlog: Hast du dennoch je einen Gesangskursus gemacht oder so?

Andreas: Das wurde mir von verschiedenen Seiten nahe gelegt, aber ich mag keine ausgebildeten Stimmen. Wenn ich beim Zappen zufällig in einer Casting-Show lande, wo die Kandidaten ständig einen auf Musical machen, schalte ich schnell weiter. Meine Stimme ist, wie sie ist.

MusikBlog: Und das auf all deinen Alben – abgesehen vom düsteren „Todesmelodien“ vor drei Jahren – sehr ähnlich. Setzt du seit mehr als 30 Jahre bewusst auf Kontinuität?

Andreas: Kann man so sagen. Aber witzigerweise bin ich das schon vor 30 Jahren gefragt worden, als die Linie meines Schaffens noch recht kurz war. Da gibt es folgendes Erlebnis: als Jugendlicher war ich mal schwer von irgendeiner Sixties-Band begeistert und hab auf dem Flohmarkt ein Album von denen gefunden, das aus den frühen Siebzigern stammte. Das klang komplett anders und ich fand es furchtbar. Das sollte mir selbst nie passieren.

MusikBlog: Der Sound einer Band sollte sich also treu bleiben?

Andreas: Natürlich soll Musik morphen, aber bitte nicht zu einer komplett anderen werden. Es muss nicht alles gleich klingen und die Band muss auch nicht immer in der gleichen Besetzung spielen, aber es sollte etwas Signifikantes geben, das erkennbar bleibt.

MusikBlog: Was wäre also das Signifikante an Andreas Dorau?

Andreas: Das wird mir jetzt zu eitel. Aber vielleicht können wir uns auf bestimmte Harmoniefolgen einigen, die eine gewisse Haltung hervorbringen.

MusikBlog: Und eine gewisse Poesie beim Texten.

Andreas: Na nennen wir es mal Reimen.

MusikBlog: Das auch im neuen Album zu wunderbaren kleinen Zeilen mit dieser zierlichen Stimme führt.

Andreas: Danke.

MusikBlog: Könnte man „Aus der Bibliotheque“, dessen Texte angeblich alle von Besuchen in der Leihbücherei inspiriert sind, als dein erstes Konzeptalbum beschreiben?

Andreas: Nein. Seit sie in den Sechzigern erfunden wurden, erzählen Konzeptalben durchgehende Geschichten, meistens die einer einzelnen Person oder den Untergang eines Schiffes, solche Dinge. So gesehen war das berühmteste Konzeptalbum überhaupt – „Sgt. Pepper“ – gar keines, weil nur das erste Stück von dieser fiktiven Band erzählt, die danach aber nicht mehr auftaucht. Totale Mogelpackung. Wenn überhaupt eines meiner Alben ein Konzept verfolgt hat, dann „Todesmelodien“, weil sich sieben der zehn Stücke mit dem Thema Tod befassen.

MusikBlog: Und „Aus der Bibliotheque“?

Andreas: Ist bestenfalls eine Hommage an die Leihbücherei und bezieht sich aufs Zustandekommen der einzelnen Texte, auf einzelne Inhalte bestimmter Bücher, die ich dort gefunden habe, den Zustand des Lesens, wie ich dort hingekommen bin.

MusikBlog: „Faul und bequem“ mit dem Taxi nämlich, wie ein Stück betitelt ist. Gab es dennoch das Konzept einer neuen Platte, das dich in die Bücherhalle getrieben hat, oder Besuche in der Bücherhalle, die dich zur Platte gebracht haben?

Andreas: Also der Ablauf war folgendermaßen: Ich bin im Mai 2013 beim Label bureau b gewesen, die meine Backlist rereleast haben und wissen wollten, ob sie zu meinem 50. Geburtstag eine Best-of- und Raritätenplatte rauszubringen können. Erstmal erschrak ich da, weil mir klar wurde, dieses Alter erreicht zu haben. Dann aber erschien es mir als keine so schlechte Idee, weil ich mich anderweitig auf gar keinen Fall feiern lassen wollte, mit einer Party oder so. Furchtbar. In den folgenden Tagen habe ich deshalb mal in meinem Fundus gekramt und zwei unveröffentlichte Stücke sowie ein veröffentlichtes, aber völlig unbekanntes Lied gefunden. Alles eher gitarrenlastig.

MusikBlog: Die Gitarre ist nicht gerade dein typisches Instrument…

Andreas: Und deshalb sind sie auch nie auf meinen Alben gelandet. Textlich gefiel mir das allerdings ganz gut, weshalb ich bureau b angeboten habe, ein ganz neues Album drum herum zu machen. Dafür brauchten wir dann nur noch mindestens sieben weitere Stücke, und zwar mit Gitarre als Hauptinstrument. Als Gunther Buskies von tapete records und Carsten Friedrichs von Superpunk mitmachen wollten, war klar, dass es losgeht.

MusikBlog: Und das zum ersten Mal seit 1987 mit einer richtigen Band.

Andreas: Richtig.

MusikBlog: Warum hast du das so lange nicht getan?

Andreas: Hast du schon mal in einer Band gespielt?

MusikBlog: In mehreren, wenngleich ohne Erfolg.

Andreas: Dann kennst du doch, dass immer etwas nervt – der Schlagzeuger trommelt zu viel, der Gitarrist gniddelt irgendwie rum, der Sänger nuschelt. Nichts zustande zu bringen, weil immer irgendwer unkonzentriert ist, hat mich schon immer wahnsinnig gemacht. Ich arbeite gern schnell, und mit einer Band arbeitet man langsam. Und als sich Computer immer besser zum Musikmachen eigneten, habe ich eben lieber mit denen musiziert.

MusikBlog: Wenn du dich irgendwo bewerben würdest und das Einstellungskriterium lautet Teamfähigkeit, müsstest du das also verneinen?

Andreas: (hüstelt) Ich könnte es jedenfalls nicht guten Gewissens bejahen.

MusikBlog: Und wie war es jetzt, mit Bandkollegen?

Andreas: Gut. Vielleicht aber auch, weil es von vornherein nicht darauf ausgerichtet war, mein restliches Leben mit ihnen zu verbringen. Die Stimmung war natürlich euphorischer, mit mehr Leuten im Übungsraum zu sitzen als zu zweit vorm Rechner, das hatte schon was. Und man fühlt sich auch ein bisschen eingebetteter, über eine Gitarre zu singen als über Synthies. Das hat Spaß gemacht, auch weil wir eben doch ziemlich konzentriert waren.

MusikBlog: Bleibst du dennoch künftig Einzelkämpfer wie in den vergangenen 25 Jahren?

Andreas: Das weiß ich nicht, weil ich mir in der Regel nichts vornehme. Ich weiß nicht mal, wann, mit wem und wo ich die nächste Platte mache.

MusikBlog: Aber dass du eine machst schon?

Andreas: Könnte durchaus sein.

MusikBlog: Vielleicht wieder als Jubiläumsalbum, dann eben zur 75 oder 100?

Andreas: Wenn das jemand dann so nennen möchte… Ich selbst finde Jubiläen eklig. Es gibt ein paar Horrorszenarien, vor denen es mich gruselt.

MusikBlog: Welche?

Andreas: Die behalte ich lieber für mich.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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