Es gibt vermutlich eine ganze Reihe von Dingen, bei denen wir uns wünschen würden, wir wären gegen sie immun. Ein Name, der definitiv nicht auf dieser imaginären Liste auftaucht, ist Jon Hopkins. Spätestens nachdem der englische Musiker und Produzent im letzten Jahr sein viertes Album mit dem formschönen Titel „Immunity“ veröffentlichte, setzte unser natürliches Abwehrsystem mit dem Drücken des Play-Buttons aus und wir waren den darauf befindlichen Songs auf ganzer Linie ergeben.

Warum? Weil sich das elektronisch-surrende Wesen der programmierten Beats wie ein perfekt sitzendes Netz um unsere Ohren spannt und dabei auch noch vor lauter Einfallsreichtum und Scharfsinn strotzt. Anfang des Jahres holten sich Moderat den Sound-Tüftler für eine ihrer beiden Berlin Shows als Support an ihre Seite, nun kehrte der auch als Remixer gefragte Londoner für ein Headliner-Konzert zurück in die Hauptstadt. Da brauchte es nicht lang und die Veranstalter meldeten euphorisch, dass an den Türen des Bi Nuu das „Ausverkauft!“ Schild hängen würde.

Kein Wunder also, dass am besagten Abend die Menschenschar an diesem Fleck in Kreuzberg besonders groß war und die freudig-gespannten Gesichter der Anwesenden alle ähnlich positiv gestimmt auf den Mann warteten, von dem sie sich erhofften, dass jener sowohl die aufgestaute Lethargie im Kopf als auch in den Beinen mit einem Schlag beenden würde. Mit etwas Verzögerung im Zeitplan nahm Jon Hopkins dann auch, nach dem vorab stattfindenden DJ-Set seines Kollegen Rob Clouth, seinen Platz hinter den Reglern ein und fackelte nicht lange, die an ihn gestellten Erwartungen mühelos zu erfüllen, wenn nicht sogar zu übertreffen.

Einmal ganz vom musikalischen Können des Engländers abgesehen, das ihn seit Jahren unbestritten als einen der besten Künstler im Elektro-House-Kosmos auszeichnet, ist es das angenehme Auftreten des Musikers, das nach dem Konzert mit hohem Intensitätslevel in Erinnerung bleibt. Während so manch anderer DJ eher damit beschäftigt ist durch eine lächerlich-überzogene Mimik und Gestik seine Musik zu untermalen, konzentriert sich Jon Hopkins lieber bewusst auf das Wesentliche und macht sich von den Zwängen frei, neben der spielerischen Demonstration seiner Fähigkeiten, auch noch den Unterhaltungskünstler zu mimen.

Seine gezielten, fast schon elegant wirkenden Handgriffe sorgten bereits binnen Minuten dafür, dass das Publikum, auch dank der zur Atmosphäre passenden Visuals im Hintergrund, jeden Winkel des Clubs zur Tanzfläche deklarierte und das einnehmende Live-Set aufzusaugen schien. Kurze Blicke von Hopkins in die ersten Fan-Reihen ließen ihn mit der Gewissheit und einem Lächeln zurück, auch an diesem Abend das manchmal doch etwas gelangweilte und verwöhnte Berliner Publikum voll und ganz auf seine Seite gezogen zu haben.

Es passiert nicht oft, dass ein Set ohne Lückenfüller auskommt oder der Künstler nicht während der Show Gefahr läuft, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, die Dynamik krampfhaft aufrechtzuerhalten. Neben Über-Songs seines letzten Albums wie „Collider“ oder „Open Eye Signal“ muss Hopkins diese Falle, dank seiner gut ausgewogenen Auswahl der gespielten Tracks, allerdings nicht fürchten. Stattdessen machten die anwesenden, Tanz hungrigen Fans den Eindruck am liebsten bis zum Morgengrauen im gefühlten Trance-Zustand verweilen zu wollen. Wer im Raum hätte das Bett nicht, ohne mit der Wimper zu zucken, gegen ein paar weitere Stunden Hopkins-Enthusiasmus eingetauscht und die Nacht zum Tage gemacht? Eben. Niemand.

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