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Wallis Bird – Live im Postbahnhof, Berlin

Um den Finger gewickelt. Einfach so. Und das auch noch in Sekundenschnelle. Wofür andere Singer-Songwriter(innen) ihren rechten Arm geben würden, opfert Wallis Bird nur eine Prise erstaunliche Leichtigkeit.

Kaum steht sie auf der Bühne und lässt die ersten Akkorde vom Klangkörper ihrer Gitarre über den Bühnenrand zu den Ohren der anwesenden Zuschauer dringen und schenkt dem randgefüllten Postbahnhof ein herzliches Lächeln, sind ihr die Konzertbesucher auch schon verfallen.

Und das noch weit bevor die gebürtige Irin mit Wohnsitz in Berlin überhaupt mit einer Vielzahl von lustigen Anekdoten und Situationskomik um die Ecke kommt. Sowas! Mit ihrem vierten Album “Architect” zieht sie in diesen Tagen durchs Land und ließ es sich natürlich nicht nehmen auch “daheim” vorbeizuschauen.

Weil es sich im Kreise lieber Freunde besonders unbeschwert leben lässt, gesteht die sympathische Musikerin auch gleich zu Beginn des Konzerts sich trotz des ausgeschnittenen Tops nicht die Achseln rasiert zu haben und amüsiert sich auch noch später hier und da über die kleine haarige Rebellion.

Wallis Bird pfeift auf die Etikette, flucht schon mal kräftig und konzentriert sich lieber auf ihre Songs als sich über solche Banalitäten zu sorgen. Ganz im Gegenteil zu vielen Kolleginnen, deren äussere Erscheinung vorrangig den Ton angibt. Mit so einer Einstellung lässt es sich dann auch ganz ungeniert auf der Bühne des Postbahnhofs herumwirbeln.

Haarsträhnen mitten auf der Nase? Egal! Kleine Grimassen, die zwischenzeitlich kurz die Leidenschaft und auch das Strahlen auf dem Gesicht von Wallis Bird ablösen? Bitteschön! Und dazu diese geballte Energie, die meilenweit über den eigentlich physischen Möglichkeiten der eher zierlichen Wahl-Berlinerin zu liegen scheint.

Wallis hüpft, springt, hämmert auf’s Schlagzeug ein, klammert sich an die Gitarrensaiten und reguliert das Spannungsverhältnis zur eigenen Emotionalität wie aus dem Nichts und landet dabei jedes mal einen Volltreffer.

Nicht von ungefähr stimmt Bird schon nach ein paar Songs scherzend den Dirty-Dancing-Klassiker “Time Of My Life” von Bill Medley und Jenniger Warnes an, der aber genau in diesem Momet wie die Faust auf’s Auge zur inneren Gefühlskurve der Sängerin passt.

Die überaus gute Laune und das abenteuerliche Kribbeln im Bauch sprechen aus jedem Song und aus jeder noch so kleinen, fröhlich-überschwänglichen Anekdote, die die Irin in einem sympathischen Mix aus Englisch und Deutsch zum Besten gibt. So erzählt sie von ihrer Berliner WG mit ihren beiden Freunden Robotnik und Kevin Ryan, die sie kurzerhand auch gleich als Support für den Abend miteingepackt hat. In jeglicher Hinsicht eine gute Wahl. Oder wie würde Wallis sagen? Geil!

Rings um den Bühnenrand herum wimmelt es geradezu von kleinen unschuldig weissen Häuserschluchten aus Pappe, die wohl mindestens ebenso viel Profil aufweisen wie die Bird’sche Musiklandschaft, die sich nicht nur über vier Studioalben, sondern ebenfalls über eine stilistisch breitgefächerte Ausrichtung erstreckt. Auch wenn die neue Platte “Architect” voll tanzbarer, quirliger Beats steckt, ist das nur eine der vielen Facetten, die darauf und bei diesem Konzertabend zum Vorschein kommt.

Während lebhafte Songs wie “Hardly, Hardly” oder auch “Daze” die Sängerin in einen Wirbelwind verwandeln, der es dennoch schafft stimmlich bemerkenswert sicher zu bleiben, appellieren Stücke wie “Holding A Light” und das Ani DiFranco Cover “Little Plastic Castle” an die weitaus zerbrechlichere Seite der Ausnahmekünstlerin.

Der fortwährend herzlichen Atmosphäre sei Dank, ist es dann gegen Ende des Sets auch selbstverständlich, dass die Fans sich artig in einen großen Chor verwandeln und die von Bird vorgesungene, schwerste von allen Gesangsharmonien wählen. Ein Klacks für das routiniert summende Berliner Publikum!

Schwer von dem Gesamtpaket des Konzerts angetan, bezeichnet Wallis am Tag darauf Berlin im Vergleich zu anderen Tour-Stopps liebevoll als “ein Regenbogen spuckendes Einhorn”. Man könnte meinen – ein wenig zu schön um wahr zu sein, klanglich bunt und ganz sicher eines: fabelhaft.

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