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Purity Ring – Another Eternity

Ganz gleich einer zauberhaften Alice im bösen Wummerland führen die in weiten Liebhaberkreisen bekannten Purity Ring durch jene „andere Ewigkeit“, welche sie auf ihrem zweiten Album recht bescheiden postulieren. Megan James und Corin Roddick haben dabei die Sache mit dem Zeitgeist der Mainstreamschramm-Musik verstanden und können ihre Bienenstempel im Popheftchen getrost einheimsen: irgendwie schwere Beats, irgendwie süßliche Stimme, irgendwie relativ sinnliches Synthie-Klimpern; irgendwie gute Musik, welche die Überproduktionslatte zärtlich-bestimmt nach oben stupst.

Der Stereotyp Kanada ist bekannt für die liebreizenden Menschen mit der zwiespältigen Meinung, welche sich gefährlich weiträumig im „Dazwischen“ bewegt und in das altbewährte, für sicher befundene Ni fu ni fa–Schema zurückzieht. Das dynamische Duo Purity Ring personifiziert jene Hybriden in nahezu perfekter Weise: Ein Zwitter aus süßer Gesangs- und Poetmelancholie mit schwermütigem Melodieanstrich schält sich aus knappen 36 Spielminuten heraus, ohne Gefahr zu laufen, in eine dieser Richtungen zu kippen. Doch rein und unberührt, wie es etwa der bandeigene Name vermuten lässt, ist hier nichts.

Noch auf dem viel gefeierten Debüt „Shrine“ bewiesen die Sängerin und ihr Spielgefährte, dass sie imstande sind, traumhafte Luftschlösser aus Elektrokonstruktionen zu kreieren, welche nicht nach eingängiger Besichtigung zu verpuffen drohen, sondern vielmehr viele verschiedene Bauweisen bieten. Das Ganze gestaltete sich noch bei Experimenthaschereien ungeheuer intim, in sich gekehrt und ganz einfach nahbar, mit einer spannenden Süße durchzogen.

Nun verwischen Trap-Beats bisher Dagewesenes („Dust Hymn“) und stramme Grooves ersetzen dynamisch-verschlungene Muster – zwar nicht bis zur Unkenntlichkeit, nein, aber doch merkbar. Scheinbar schwillt Megans Brust auf „Another Eternity“ maßgeblich an und lässt mehr Stimme im Vordergrund brillieren, statt jene verhuscht hinter den stetig dumpfen Dampfbeats hervorzulocken. Diese Tatsache stützt sich jedoch vielmehr auf das verstärkte Einsetzen von recht voraussehbaren Effekten: Zwar haucht das Kanadamädchen nach wie vor ihre metaphorischen Lyrics auf sinnlich-zauberhafte Art in den weiten Raum, doch sind diese merklich präsenter gemischt.

Die Sensibilität wird in Teilen von techno-esquen Synthies und mit Dub-Elementen unterlegten Soundspielerein in ihrer Tiefe gedrosselt („Stranger Than Earth“) und läuft hie und da Gefahr, in eine fast beliebige EDM-Schiene zu rutschen. Scheinbar geringer gehaltene Experimente lassen den Zweitling damit gefälliger und unfassbarer erscheinen. Die Bässe triefen nicht mehr abgrundtief, sie glänzen nur noch glattgeschliffen und streben danach, von einer Mehrzahl elektronischer Hörer konsumiert zu werden.

Sicherlich werden einige Perlen des neuen Albums in die Sommerlisten so mancher Liebhaber Einzug halten und die neuen Tracks eine weitaus größere Reichweite aufweisen. Das ist legitim, das ist Pop – doch sind die Abenteuer der Wummerland-Alice weitaus voraussehbarer und weniger märchenhaft denn zuvor.

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