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Fyfe – Control

Thema unserer heutigen MusikBlog-Lektion: Understatements. Ziehen es doch die meisten Liebeskummer beklimpernden Kollegen vor, sehnlichst Angebeteten metaphorische Vorwürfe an die hübschen Köpfe zu werfen, dreht ein Musiker den Spieß ganz einfach um: „Please don’t waste your love on me.“ Gebetsmühlenartig, fast manisch und in steigender Eindringlichkeit zärtelt eine dezent männliche Stimme schluchtentiefe Ängste aus den Lautsprechern. Das völlig reduzierte, alles auf minimale Gesangs- und Synthiebegleitungsästhetik setzende „Lies Pt. II“ rät zu Distanz zum Sänger und erfragt zugleich Rückhalt. Zu spät, Fyfe. Einmal an dem Debüt festgebissen, ist ein baldiges Loslassen nicht mehr garantiert. „If I call out will you find me in the desert?“ Ja, Fyfe, aber ja.

Schon seit seiner frühen Sturm und Drang-Zeit bei einem Majorlabel, welches ihn nach nur kurzer Zeit das Tuch werfen ließ, beschäftigt sich der junge Paul Dixon – alias Fyfe – mit dem Handwerk des elektronischen Gerüstbaus. Doch war das vorherige Schaffen weitaus offenherziger, zeigt der Musiker sich mit „Control“ von seiner anschmiegsamen Seite. Denn das lose verschnürte Rundumpaket wartet nur darauf, sich zu offenbaren; Schicht um Schicht zu entblättern, um so als Sentimental-Package in die warmen Hörerarme geschlossen zu werden. Schon die ersten Anschläge des Albums „Control“ lassen etwas Zartes zutage fördern: zerbrechliche Worte, zerbrechliche Stimme, zerbrechliche Atmosphäre.

Paul Dixon ist ganz einfach im Besitz eines recht wertvollen Mental-Setzkastens, aus welchem er 11 Tracks der Selbstvergessenheit, der Schüchternheit, der Introvertiertheit zaubert. Minimale Beats, unkomplizierte Oktavgitarrenzupfereien und die Fyfe-Projekteigenmarke schlechthin – das Pausieren mittels Breaks vor dem Synthie-Sturm zum Einkehren, Überdenken und Luftholen – sind immer mit dabei. Ein hohes Verständnis von einfacher Symmetrie zieht sich weiterhin durch jegliche Songperlen: Was aufschwillt, muss ziemlich genau wieder abschwellen. Beats werden an der kurzen Leine gehalten und melancholische Melodiebögen bei immer wiederkehrenden Elementen fein säuberlich konstruiert.

Wie das ganze aussieht? So locker wie ein junger Pop-Eunuch bietet Dixon etwa fluffige Oktavsprünge in die Kopfstimme an, welche sich in „Holding On“ bei nachdrücklichen Synthies immer stärker zu behaupten weiß. Eine nervöse HiHat-Imitation frickelt dazu über eine ganze Spiellänge in HüHopp-Loops recht autistisch vor sich hin, die Ballade ist perfekt. Der linke Freund des Normschlagzeugers findet seine Verwendung in vielerlei vertrackten Songstrukturen, wie etwa auch ein „In Waves“ völlig auf das fein säuberliche Inanderstapeln von Beats und das Spiel mit stimmlicher Androgynität setzt.

Das letzte Drittel des kontrollierten Schaffens fährt noch einmal alles auf und stolziert mit jeglichen Effekthaschereien herum, welche die gesammelte Synthiemaschinerie herzugeben imstande ist. Doch „St. Tropez“ wirkt mit einer etwas härteren E-Gitarrengangart so im Verhältnis zu vorher Gehörtem zu beweisend und schlichtweg pompös. Der Schlussleuchten-Titeltrack „Control“ glänzt entgegen seines Sinns mit völliger Kontrolllosigkeit und kocht Spielereien, die vorher im Zuge des Albums schon im Einzelnen vorgestellt wurden, noch einmal auf mittlerer Stufe auf.

Und doch: Die elektronischen Elemente glänzen nicht als belangloser Schmuck, sondern als platinverstärktes Rückgrat der Kontrolle. Fyfe schafft mit seinem Verständnis des Pop von innen heraus ein zugängliches Werk, das vor Sentimentalität nur so trieft und sich mit minimalen Anstrengungen und maximalen Bruchstellen für eine ordentliche Spannung zu helfen weiß. I do waste my love on you und will find you in the desert, Fyfe!

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