Es heißt ja, wenn Frauen ihre Haare abschneiden, beginnen sie – ganz buchstäblich – einen neuen Lebensabschnitt. Im konkreten Fall von Laura Marling, die ihre lange blonde Mähne gegen einen raspelkurzen Pixie-Cut getauscht hat, bedeutet das hörbar gewachsenes Selbstbewusstsein: Klang ihr letztes Album „Once I Was An Eagle“, das ihr einen NME-Award und eine stetig anwachsende Fangemeinde einbrachte, so fragil und sensibel, dass nicht wenige ihre Musik als weinerlich bezeichneten, ist Marlings fünfte Soloplatte in sieben Jahren Dokument einer erstaunlichen Entwicklung.
Die britische Singer/Songwriterin und Gitarristin hat „Short Movie“ selbst produziert, unterstützt wurde sie dabei von ihrem langjährigen Drummer Matt Ingram und Studio-Engineer Dan Cox. Marling hat ihren Stil nicht grundlegend verändert, aber ausgebaut: Verträumter Folk, komplexe, erzählerische Texte und engelhafte Vocals sind weiterhin zu hören, aber mit „Short Movie“ begibt sich die Künstlerin auf eine neue, weiter gefasste Ebene, die ihr mehr Freiraum bietet.
Zum Beispiel Freiraum in punkto Komposition und Arrangements: Indie-Pop und Blues, Countryelemente und Sprechgesang – vieles ist möglich bei der „neuen“ Laura Marling, die sich mit „Short Movie“ in eine Reihe zu großen Vorbildern wie Joni Mitchell, Chrissie Hynde und Suzanne Vega gesellt. Marling experimentiert mit ihrer Stimme, probiert vom Säuseln bis zum harten Spoken Word-Style alles aus und präsentiert sich als souveräne, meisterliche Gitarristin. Die Rhythmen sind variationsreicher als auf früheren Platten, der Sound satter und klarer – fragil und verhuscht, das war einmal.
Nach ihrem Umzug nach Los Angeles gönnte sich die einstige Sängerin von Noah And The Whale eine längere Schreibpause inklusive intensiver Selbstreflexion, um dann in relativ kurzer Zeit in London dreizehn neue Songs aufzunehmen. Sie wisse nicht, wie sich ihre Musik anhören würde, wenn sie nicht so viel unterwegs wäre, sagt Marling und folgerichtig handeln viele ihrer Texte vom Weggehen, Ankommen beziehungsweise Nirgendwo-Zuhausesein. Der Seelenstriptease gehört bei Marling immer dazu: In „Feel Your Love“ fleht sie den Geliebten an, sie endlich gehen zu lassen, die Gitarre im Off-Beat gezupft, dazu herzzerreißende Streichersequenzen. „Easy“ geht in die gleiche Richtung, beschwört die Notwendigkeit, Zeit für sich zu haben, um reifen zu können: „You can’t get lost if you’re not on your own / You can’t be found if you’re not all alone“.
Man muss ja immer dazu sagen, dass Laura Marling erst 25 Jahre alt ist und schon auf eine recht lange Zeit als aktive Musikerin zurückblicken kann (bereits 2007 ging sie als Support-Act für Adam Green und Jamie T auf Tour). Deswegen ist „Short Movie“ Ausdruck jugendlicher Zuversicht und sehr erwachsenem Bilanzziehen zugleich. Erfahrung und Unverbrauchtheit gehen bei Marling Hand in Hand, eindrucksvoll zerschreddert sie im Titeltrack den unschuldigen Klang ihrer Stimme, wiederholt immer und immer wieder die Zeile „it’s a short fucking movie, man“.
Bei vielen MusikerInnen verbraucht sich der Schwung des Debüts und verplätschert in uninspirierter Wiederholung. Laura Marling findet erst mit ihrem fünften Album zu sich – und weist gleichzeitig in eine spannende Zukunft.