Nach der Veröffentlichung von Lowells 2014er EP “I Killed Sara V” stimmte man allseits eine Ode auf das Wunder Lowell an: die zarte, elfenähnliche, junge Kanadierin Elizabeth Lowell Boland mit dem glasklaren Stimmchen, die erstaunliche Musik hervorbringt, welche man nur einer reifen, abgeklärten Seele zuschreiben würde. Schnell drückte man ihr den Stempel “Ausnahmetalent” auf.

Verständlich also, dass man jetzt interessiert auf Lowells Debüt “We Loved Her Dearly” blickt, um zu prüfen, ob die junge Kanadierin ihr süßes, durch die erste EP angedeutete, Versprechen auch halten kann: Ist sie nun das Wunderkind, dass alte Hasen in den Schatten stellt? Hier kann sicherlich ausgiebig gestritten werden, die Frage ist nur, ob man das überhaupt sollte. Denn, ob Lowell nun die große Retterin des Elektro-Pop ist, die ihre Goldstimme in unsere Ohren legt, sei zur Diskussion freigegeben, dass sie jedoch eine sehr talentierte Künstlerin ist, ist eine Tatsache.

In aller Bescheidenheit fängt einen “We Loved Her Dearly” durch zarte Melodien, mitreißende Rhythmen und, nicht zuletzt, durch den entzückenden Gesang Lowells ein. Das Niveau, das der Opener des Albums “Words Were The Wars” vorlegt, wird mit jedem Stück der Platte gehalten. Mehr noch, Perlen wie “The Bells”, “The Sun” oder “Palm Trees” lassen einen mitunter den Atem anhalten und immer wieder den Repeat-Knopf betätigen. Hierbei wird der Hörer flüsternd dazu verführt, genauer hinzuhören, wenn sich die pompösen Arrangements um Lowells Stimme ranken, sie ergänzen und zum Glänzen bringen, ohne jemals überladen zu wirken.

Lowell springt keinen an und bittet auch nicht um Aufmerksamkeit. Sie nimmt einfach ihre Songs auf, mit Texten, die Geschichten auf eine Art und Weise erzählen, wie es auch Beth Gibbons nicht hätte besser machen können: mysteriös funkelnd und manchmal so, als vertraue Lowell einem ein Geheimnis an, das kein zweiter kennt.

Lässt man seine Augen durch die Pop-Landschaft gleiten, wird man niedergewalzt durch Lady Gaga in Fleischkleidern, Rihanna mit blonden/schwarzen/roten Haaren oder Kesha mit unmöglichen Gesichtsbemalungen, die keine Ruhe geben und nach Aufmerksamkeit brüllen, obwohl längst vergessen wurde, wofür sie diese eigentlich bekommen sollten. Wie Balsam legt sich da Lowell auf das gequälte Gemüt. Sie besticht durch ihre Einfachheit, gesenkten Blick und spielt ihre eindringlichen Stücke, die doch den Eindruck der Erlösung entstehen lassen. Lowell ist eine Künstlerin, die den Fokus endlich wieder auf etwas richtet, was im pompösen Kitsch bei anderen Künstlerinnen oft verloren geht: gute Musik.

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