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Mal im Ernst – K.I.Z im Interview

„Berlin – Das K.I.Z Hauptquartier gibt den Untergang der Welt bekannt. Ein sofortiges „Hurra“ wurde angeordnet. Spitzenvertreter aus Industrie und Wirtschaft begrüßten diese Entscheidung und …“

Zehn Jahre K.I.Z Zehn Jahre Rapsägenmassaker. Anscheinend Zeit für eine Veränderung. Denn mit seinem fünften Album „Hurra Die Welt Geht Unter“ schlägt der Viererblock aus Berlin jetzt einen anderen Weg ein. Statt sarkastisch überdrehter Derbheiten und witziger Battle-Verbalattacken, gibt es diesmal realistische Einblicke in die gerne ausgeblendeten, düsteren Seiten der merkelschen „Gut leben in Deutschland“-Republik im Jahr 2015. Nicht weniger drastisch und gerne mit galligem Zynismus.

Wir plauderten mit K.I.Z Beatbauer und Rapper Nico über das Album, den Weltuntergang, Revolutionen und andere vergnügliche Dinge.

MusikBlog: Die Promo-Maschine läuft und ihr seid ihm Moment in allen Blättern, auf allen Kanälen und allen Seiten präsent. Interessiert es euch noch, was man über euch schreibt? Lest ihr Kritiken?

Nico: Ja klar. Natürlich! Gerade bei diesem Album, bei dem wir mal so ein bisschen was anderes gemacht haben, interessiert es einen natürlich, in wie weit das gut oder schlecht ankommt.

MusikBlog: Und hast Du den Eindruck, dass die Leute mitbekommen worum es bei dem Album geht?

Nico: Teilweise schon. Teilweise nicht. Das ist natürlich auch immer eine Geschmacksfrage. In der Konkret ist zum Beispiel eine gute Plattenkritik. Bei Rap.de fanden sie es nicht so doll. Gibt eben solche und solche.

MusikBlog: Mit „Hurra Die Welt geht Unter“ seid ihr jetzt auch massiv im Feuilleton von Blättern wie der Welt, dem Spiegel, Focus, FAZ oder dem ZDF-Kulturmagazin Aspekte aufgetaucht. Was ist das für eine Erfahrung?

Nico: Das gab es zwar auch schon vorher, aber vielleicht nicht in diesem Maß. Zu „Hahnenkampf“-Zeiten sind wir auch schon in der Welt, der Süddeutschen und so besprochen worden. Da kommen halt ein bisschen andere Fragen. Aber irgendwie gleichen sie sich untereinander dann doch wieder.

MusikBlog: Eine der Sachen, die einem direkt auffallen, wenn man sich „Hurra Die Welt Geht Unter“ anhört ist, dass es als Album einheitlicher und organischer ist, als eure früheren Alben. Bei ihnen hatte man gerne mal den Eindruck einer Collage, in der alles, was gerade so an Songs da war, stilistisch bunt zusammengewürfelt wurde.

Nico: Das hatten wir uns auch vorgenommen und es ist schön, dass das auch so wahrgenommen wird. Im Gegensatz zu früher, wo wir uns von Produzenten immer vier, fünf, sechs, sieben verschiedene Beats ausgesucht haben, haben wir uns diesmal hingesetzt und erstmal nur Beats von mir und von Kevbeats aufgenommen. Später kam noch Gee Futuristic dazu. Von ihm haben wir dann auch drei Beats genommen. Er ist zu uns ins Studio gekommen und wir haben seine Sachen genau mit denselben Maschinen nachgebaut, mit denen auch die anderen Beats entstanden sind. Und das alles natürlich unter der Aufsicht des großen Moses Schneider.

MusikBlog: Musikalisch kommen die Stücke generell jedenfalls abgeklärter und ausgefeilter rüber.

Nico: Ich weiß auch nicht genau, wo das hergekommen ist. Aber ich würde auch schon sagen, dass alles etwas eleganter ist. Bzw. ich würde behaupten, dass es ist viel ruhiger ist, als bei den Alben davor. Natürlich ist zwischendurch immer noch ein Partyknaller drauf. Aber im Ganzen ist das Album schon ruhiger. Aber das ist einfach abhängig davon entstanden, welche Beats wir uns am Anfang ausgesucht haben. Die haben wir dann erst mal gebaut und dann überlegt, was wir darauf schreiben. Und ja, somit ist es vielleicht auch der Musik zuzuschreiben, dass das Album ein bisschen nachdenklicher geworden ist.

MusikBlog: Was hat denn eigentlich den Anstoß gegeben, diesmal nicht zu battlen und statt überdrehtem Sarkasmus mal eure ernsthaftere, öh … seriösere oder tiefere Seite in den Vordergrund zu stellen. Gab es da vorher schon so etwas wie eine Konzeptidee oder hat sich das im Prozess entwickelt?

Nico: Das Einzige, das wir uns für das Album als Prämisse gesetzt hatten war, das wir keine Standard Battlesongs darauf haben wollten, wie wir sie vorher viel auf unseren Alben hatten. Dann ist das alles so nach und nach entstanden. Und dadurch, dass wir das Thema gewechselt haben, kam es eben dazu, dass wir viel über Elend geschrieben haben. Während der Produktion hatten wir zwar auch noch ein paar andere Songideen, aber weil sie nicht zum Rest passten, haben wir sie dann rausgelassen. Es war aber jetzt nicht so, dass das Album vorher schon quasi am Reißbrett entworfen wurde.

MusikBlog: Dieser Ansatz hat anscheinend auch mehr Raum für die Stories in euren Texten gegeben. Sie können sich diesmal intensiver entfalten.

Nico: Ja, das kann gut sein. Klar hat so etwas mehr Platz auf dem Album, wenn kein „Ich ficke deine Mutter“-Song drauf ist. Ich würde jetzt aber auch nicht sagen, dass die Texte so viel ausgefeilter sind als früher. Wir haben uns diesmal halt mehr mit den Geschichten beschäftigt. Aber ich würde nicht behaupten, dass in irgendeinem Battle-Text, wie meinetwegen „In Seiner Mutter“ von „Urlaub Fürs Gehirn“, nicht genauso viel Arbeit steckt. Oder genauso viel Liebe. Sag ich mal.

MusikBlog: Thematisch verarbeiten die Texte von „Hurra Die Welt Geht Unter“ größtenteils eure Beobachtungen der eher düsteren Seite des Lebens im Merkeldeutschland 2015.

Nico: Ja klar. Natürlich beschäftigt man sich in erster Linie damit, was man so um sich herum sieht. Was so passiert. Zum Beispiel die Flüchtlingsthematik. Wir haben Bekannte, die alle zwei Monate irgendwohin müssen, um sich einen Stempel abzuholen, obwohl sie hier geboren wurden. Und der Görlitzer Park ist auch direkt um die Ecke von unserem Studio. So Sachen kriegt man eben dann mit, und das fließt natürlich auch in die Musik ein. Wir beschreiben die Sachen ja eigentlich auch nur auf dem Album. Es ist eine Beschreibung der Dinge, wie sie so oder in etwas abgeschwächter Form auch existieren.

MusikBlog: Der Titelsong „Hurra Die Welt Geht Unter“ spielt in einer postkapitalistischen Welt nach dem großen Atomknall. Was könnte den Untergang der Welt bzw. der Gesellschaft herbeiführen? Im Moment hat man eher den Eindruck, dass sich alles weiter verfestigt.

Nico: Keine Ahnung. Ich habe da auch nicht so die große Hoffnung darin, dass die jetzt untergeht. Aber schau‘ n wir mal. So’n kleiner Weltkrieg kann die Welt ja schon zerstören. Der ist ja jetzt nicht mehr so weit entfernt. Kriegstreiberei geht ja nicht erst seit diesem Jahr von Deutschland aus. Das ist ja schon ne ganze Weile so.

MusikBlog: Irgendwie sind ja so einige Sachen im Moment in der gesellschaftlichen Schräglage. Könnte Gegengewalt eine Veränderung zu bewirken? Zum Beispiel so etwas wie eine neue RAF?

Nico: Ich glaube nicht. Das ist ja das Schöne an der Demokratie, dass sie ein Gewaltmonopol hat und eine Herrschaftsform ist, bei der sich der Bürger als Mitglied des Staates fühlt. Dadurch, dass er am Wahltag sein Kreuzchen machen darf, hat er sich diese Herrschaft sozusagen selbst ausgesucht. Und wenn sich die Demokratie angegriffen fühlt, empfindet das der Bürger auch als Angriff auf sich selbst. Und das ist ja etwas anderes als z.b. bei der Französischen Revolution. Bei der war ganz klar: „Ihr seid die. Wir sind die anderen. Und jetzt gibt’s auf die Nuss!“.

MusikBlog: Habt ihr die Hoffnung, dass ihr mit euren Songs etwas in den Köpfen der Leute etwas bewirken könnt? Oder ist das etwas hochgegriffen?

Nico: Ein Stück weit vielleicht. Wenn man sowieso gerade in einer Veränderungsphase ist und das der Soundtrack dazu ist, dann kann es schon sein, dass ein Song eventuell den ein oder anderen Denkanstoß gibt. Aber ich würde dem jetzt nicht zu viel Bedeutung beimessen. Ich denke nicht, dass man die festgefahrene Meinung eines Menschen durch einen Song verändern kann. Wenn man politische Statements machen will, die die Leute auch als solche wirklich ernstnehmen, dann sollte man eher ein Pamphlet schreiben und nicht einen Song. Und eigentlich ist es schon mehr unser Ziel, gute Musik zu machen, als den Leuten zu sagen, was sie zu denken haben.

MusikBlog: Aber man kann auch durch Aktionen Stellung beziehen. Wie zum Beispiel die Antilopen Gang, die spontan in Freital vor dem Asylantenheim aufgetreten ist.

Nico: Ähnliches haben wir in der Vergangenheit ja auch schon gemacht. Ich sag‘ auch nicht, dass ich mich nicht positioniere. Das machen wir auch mit unserer Musik. Obwohl es ja auch eigentlich klar ist, dass wir zum Beispiel keine Rechtsradikalen unterstützen würden. Oder so etwas. Aber dieser ganze Positionierungswahn ist mir manchmal auch schon wieder ein bisschen suspekt. Wenn sich alle hinstellen und sagen … Oder wenn sich Til Schweiger hinstellt und sagt: „Ey, Kinderficker sind voll scheiße!“. Ja, die mögen sich selbst auch nicht. Keiner mag die. Das musst Du uns jetzt nicht auch noch sagen, dass Du sie scheiße findest! Ist OK!

MusikBlog: In „Geld“ vom neuen Album stellt ihr die beiden Seiten des Nichthabens und Habens des begehrtesten Stoffs auf diesem Planeten gegenüber. Was bedeutet euch kommerzieller Erfolg?

Nico: Geld ist schon etwas Feines, wenn man in dieser Gesellschaft zurechtkommen möchte. Ich freue mich natürlich, wenn wir viele Platten verkaufen und ich dadurch etwas zu Essen auf dem Tisch habe. Das ist auch wichtig, wenn man sich nur mit Musik über Wasser hält. Ich würde aber auch nicht sterben, wenn wir keine Platten mehr verkaufen würden. Dann muss ich eben was anderes machen, um an Geld zu kommen. Aber per se freue ich mich natürlich darüber, dass ich mit dem, was ich gerne mache, auch Geld verdienen kann.

MusikBlog: Was würdest Du sonst machen, wenn K.I.Z nicht mehr läuft?

Nico: Öh, keine Ahnung! Musik für andere Leute produzieren vielleicht. Vielleicht hab‘ ich dann ja auch etwas gespart und mache dann ein Fischrestaurant in Bremen auf.

MusikBlog: In diesem Jahr habt ihr auch euer zehnjähriges Jubiläum. Welchen Effekt hatten zehn Jahre K.I.Z auf dein Leben?

Nico: Mein Leben hat sich nicht wirklich verändert. Also ich hänge immer noch mit den gleichen Leuten rum wie früher. Wir waren von Anfang an Kumpels. Sogar schon vor 15 Jahren. Wir fahren auch immer noch zusammen in Urlaub. Soviel hat sich für mich wirklich nicht verändert. Ja gut, ich bin in eine größere Wohnung gezogen. Aber ich wohne jetzt ja auch mit meiner Freundin zusammen. Aber ansonsten: Echt nicht so viel. Ich saufe immer noch am Wochenende.

MusikBlog: Geht es für euch jetzt weiter in der Richtung von „Hurra Die Welt Geht Unter“? Sprich, sind die alten Battle-Rap K.I.Z Geschichte? Oder ist das Album jetzt nur eine Episode?

Nico: Eigentlich haben wir es auch für uns selber gemacht, um es für uns interessant zu halten. Während der Produktion haben wir aber auch vier, fünf Songs geschrieben, die nicht auf’s Album gekommen sind, weil sie einfach zu albern oder Battle-Rapsongs sind. Das macht uns immer noch sehr viel Spaß und ich würde es nicht missen wollen. Nä, wir haben da schon ein paar sehr alberne Songs aufgenommen. (lacht)

MusikBlog: November und Dezember geht ihr mit dem Album auf eine ziemlich ausgedehnte Tour. Im Moment kann man euch aber auch schon auf vielen Festivals sehen. Wie sind die neuen Stücke bislang so angekommen?

Nico: Von den neuen Songs haben wir eigentlich noch nicht allzu viele gespielt. Wir haben das „Kannibalenlied“ gespielt. „Wir“, „Boom Boom Boom“ und „Hurra Die Welt Geht Unter“ zweimal. Oh ja, das ist ja doch schon ‚ne Menge. „Hurra Die Welt Geht Unter“ haben wir das erste Mal übrigens auf dem Kosmonaut Festival gespielt. Der Song war gerade einen Tag draußen und das ganze Festival hat mitgegrölt. Das war echt schön.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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