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Deerhunter – Fading Frontier

Wenn Deerhunter eines waren, dann immer leicht verdreckt. Die fünfköpfige Band um Bradford Cox aus Atlanta hatte stets ein Faible für die Sorte des nicht stubenreinen Indie-Rocks. Das vor zwei Jahren erschienene „Monomania“ scherte sich nicht viel um Sauberkeit. Doch ihr nunmehr sechstes Studioalbum „Fading Frontier“ klingt wie ein nach hinten verschobener Frühjahrsputz. Oder wie ein Umzug aus dem Garage-Proberaum in den Waschsalon des schickeren Viertels der Stadt. Es wäre sogar denkbar, dass für die alten Verstärker zum ersten Mal in der Bandkarriere der Sperrmüll angerufen wurde.

Schon der Opener „All The Same“ hat den Noise-Filter aktiviert. In diesen gewissen Momenten, wo bei Deerhunter sonst die Gitarrenausbrüche folgen, wirkt der Soundgestus unerwartet aufgeräumt. Mit einem lautlosen Staubsauger scheint die Band bis in die Ecken und Kanten gekommen zu sein, die für ihre Sound-Charakteristik doch sonst immer so zentral waren. Anders ist dieser ambient-affine Stil auf der ersten Single „Living My Life“ kaum zu erklären, der sich auf „Ad Astra“ sogar zu meditativem Dream-Pop steigert. Eine Klang-Verschiebung, die viele Anhänger der Band sicherlich verstören dürfte.

Und doch passen diese butterweichen Gitarren perfekt zu Deerhunter, die im Grunde gerade eine ähnliche Entwicklung durchmachen wie zuletzt Tame Impala mit “Currents“. Auch hier wird der grimmige, polternde Rock zugunsten weitflächigerer und softerer Arrangements abgelegt. Assoziierte man beim Vorgänger noch raue Bands wie Pavement, denkt man bei Stücken wie „Carrion“ (gesungen als „Carry On“) eher an von den 60ern geprägten Psychedelica-Pop, den man von Foxygen kennt.

Die Variante von Deerhunter ist im Ansatz zwar ähnlich verspielt, wirkt allerdings nie infantil, geschweige denn ulkig. Albernheit ist keine Kategorie für eine Band, deren erster Bassist (Justin Bosworth) in noch jungen Jahren verstarb. Und Ironie derzeit definitiv keine Option für Bradford Cox, der nach einem Autounfall Ende vergangenen Jahres unter Depressionen leidet. Nicht nur wegen dem, von einem entrücktem Klavier getragenem, „Leather And Wood“, auf dem Cox sein unfallbedingtes Trauma thematisiert, dürfte „Fading Frontier“ das persönlichste Album in der bisherigen Geschichte von Deerhunter sein.

Doch nur weil die Stücke autobiographisch gefärbt sind, handelt es sich noch längst nicht um Trivialliteratur. Vielmehr stellt Cox mit Strophen wie „The darkened stage and the infinite waves, distance can change fate, I´m out of range again“ erneut sein poetisches Gespür unter Beweis. Distanz hat die Band vor allem zum Post-Punk eingenommen, auch wenn die Gitarren hin und wieder ein wenig Fahrt aufnehmen.

Ihr Talent für Überraschungsmomente und eigenwillige Melodien ist der Band jedoch nicht abhanden gekommen. Bleibt nur die Frage, ob man den Deerhunter-typischen Krach und Schmutz nicht doch ein wenig vermissen wird.

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