Vor vielen Lichtjahren und in einem Land vor unserer Zeit, wurde Indie nicht nur als Sammelbegriff für im Ansatz alternative Musik begriffen wurde, sondern als Hinwendung zu DIY-Arbeitsweisen, die sich quer zu den strukturellen und inhaltlichen Sachzwängen der Major-Labels stellen. Zu den Dinosauriern dieser Bewegung gehörten neben Sebadoh (mit ihrem programmatischen Titel „Gimme Indie Rock“) auch Beat Happening, die sich Anfang der 80er in Washington gründeten und dank ihrer simplen wie berauschenden Gitarrenmelodien im kollektiven Subkultur-Gedächtnis geblieben sind.
Doch im Gegensatz zu Bands wie Sebadoh oder Pavement hat das Trio immer eher eine Schwäche für Jangle-Gitarren als für verrauschte Verstärker gehabt. Und auch der abwechselnde Gesang von Calvin Johnson und Heather Lewis erinnert ganz signifikant an The Velvet Underground. Allen voran die charmante Schrammel-Romantik auf Hits wie „Black Candy“ oder „Cast A Shadow“. Hier hören sich Beat Happening ähnlich apathisch und entrückt wie Lou und Nico an; minimalistisch aber melodien-verzückt wie einst The Young Marble Giants.
Die von der Band selbst getroffene Auswahl erstreckt sich auf Aufnahmen aus allen fünf Alben. Die Titel sind chronologisch geordnet. Vom selbstbetitelten Debüt bis hin zu dem ausschweifenden, mehr Nuancen zulassenden, letztem Album „You Turn Me On“. Was man quasi als Bindeglied in allen Alben spüren kann, ist der akribische Perfektionismus, bloß nicht allzu perfekt zu klingen. Beat Happening haben immer demonstriert, dass man auch mit geliehenem Schlagzeug und kleinem Riff-ABC große Songs schreiben kann. Diese Erkenntnis war nicht nur für die Sub Pop-Community ermutigend und wichtig, zu der die Band ab 1991 zählte. Sie wurde zur Lektion für unzählige Indie-Bands.
Andererseits waren sich Beat Happening für eine Portion Pathos nie zu schade. Entfalten konnte sich diese Tendenz aber erst in der Endphase der Gruppe. „Godsend“ gehört zu diesen wahnwitzigen Indie-Rock-Epen. Und auch „Teenage Cavemen“ beweist, dass hier eine Band an den Instrumenten saß, die das tut, was man so vielen Acts heutzutage nicht mehr unmittelbar abnehmen kann: Sie spielt ihre Lieder derart ungefällig, dass man meint, Johnson und Co. spielen tatsächlich nur für sich selbst.
Der leichte Ansatz Noise und Grunge hat sicherlich nicht nur Beck beeinflusst. Wegen der Lofi-Attitüde, die Beat Happening nie abgelegt haben, kann man auch Parallelen zur New Yorker Antifolk-Szene finden. Auch der penible Klang der Moldy Peaches dürfte von den ruppigen, unaufgeregten Drum- und schön schäbigen Gitarren-Arrangements geprägt worden sein. Schade, dass es quasi kein Bonusmaterial auf dieser Zusammenstellung gibt, die angenehm nostalgisch macht.
Wo ist sie heutzutage nur geblieben, die Ästhetik des Schmutzigen? Der Proberaum allein macht noch keine gute Band. Man möchte dem zeitgenössischen Indie-Rock wieder ein wenig mehr Mut zur Kante zuflüstern. Auch Beat Happening hätten damals sicherlich nicht damit gerechnet, eines Tages einmal als Klassiker archiviert zu werden.