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Sam Coomes – Bugger Me

Wer in Portland, Oregon eine Band gründet, hat offenbar gute Chancen, mit Sam Coomes zusammenzuarbeiten: Als eine Hälfte des Duos Quasi spielt er mit Sleater-Kinney-Schlagzeugerin Janet Weiss, die außerdem seine Ex-Frau ist, zusammen. In den 1990ern war er Mitglied in Elliot Smiths Band Heatmiser; später nahm ihn Smith in seine Tourband auf. Die Liste der Bands, für die er mal irgendwann irgendwas beigesteuert hat, ist auch darüber hinaus lang.

Ein Händchen für’s musikalische Netzwerken hat Coomes also ganz offenbar. Aber hat er auch Lust darauf, der Typ zu sein, der mit bekannteren Musiker_innen in einer Band spielt? Dass Coomes sein erstes Soloalbum „Bugger Me“ ganz allein bestreitet, lässt möglicherweise tief blicken.

„Allein“ heißt dabei: Coomes singt und bedient alle Instrumente selbst. Nicht, dass das sonderlich viele wären: Den Gesang begleiten auf Albumlänge ausschließlich eine durch diverse Effektgeräte geschleifte Orgel und eine sogenannte „Rhythm-Box“ – eine Art unflexibler Drumcomputer aus den 1960ern mit voreingestellten Rhythmen von Rock’n’Roll bis Rumba.

Wer dabei an schaurige Heimorgel-Alleinunterhaltung denkt, liegt nur halb falsch: Tatsächlich hat „Bugger Me“ in manchen Momenten den amateurhaften Charme einer Wohnzimmerimprovisation. Im Gegensatz zum Bontempi-Vergnügen, ist das, was Coomes aus seiner Orgel rausholt, allerdings deutlich vielseitiger und cleverer.

Der Opener „Stride On“ schickt Ray Manzareks Doors-Riffs durch den Verzerrer und nutzt sie als Grundlage für einen geradlinigen Popsong, der dem Titel getreu zum Drumcomputerbeat voranstolziert. Der Titeltrack „Bugger Me“ stellt einem stoischen Basslauf brachiale Noise-Kakophonien gegenüber, zwischen denen Coomes existenzialistische Fragen à la „Who made the rules? Who wrote the plot? How can you tell what’s real and what’s not?“ klärt.

In „Shined It On Lobotomy Eggs“ und „Corpse Rider“ weckt das eiernde und jaulende Tasteninstrument hingegen wohliges Schauern und Erinnerungen an die Bosslevel-Musik alter Super-Mario-Spiele. Ohnehin hat Coomes ein unüberhörbares Faible für gruselige Sounds: Die mit Effekten beladene Stimmcollage „The Tucchus Pt. 1“ sollte man besser nicht allein im Dunkeln hören.

Lässt man die etwas gewöhnungsbedürftigen Klänge und Soundexperimente einmal außen vor, ist „Bugger Me“ vor allem eine ziemlich selbstbewusste Pop-Platte. Heißt: Ein Song wie „Fordana“ ist sich völlig bewusst über seine Existenz als leicht verspulte, etwas überdramatische Ballade, die so ähnlich vor Jahrzehnten auch die Beatles oder Beach Boys vorgelegt hätten.

„Cruisin Thru Just Like The Rest“ ist ebenfalls ein Lehrstück in klassischem Songwriting – die sieben Minuten Spielzeit kommen nur zustande, weil die letzten dreieinhalb Minuten weitgehend dem entfesselten Orgellärm gehören.

Sam Coomes selbst sagt über sein Soloalbum, er habe mit der Reduktion des Sounds bewusst ein Gegengewicht zur modernen Musikproduktion setzen wollen. Die Mittel mögen einem radikal erscheinen, wirksam sind sie ohne Zweifel: Dass eine psychedelische Orgel und ein alter Drumcomputer einem Song manchmal mehr geben können, als Hochglanzproduktion und 30 Pro-Tools-Spuren, stellt „Bugger Me“ gleich mehrfach unter Beweis.

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