Superwahljahr. Die Regierung in Berlin wird in der jetzigen Zusammensetzung im September vermutlich raus sein. Was man von Die Regierung um Tilman Rossmy nicht behaupten kann. Die sind mit neuer Platte über zwanzig Jahre nach dem letzten Lebenszeichen jetzt mittendrin in der Staatsakt-Familie und das im Original Line-Up mit dem in Essen der frühen Achziger alles begann.

Im Zuge der vom Label Play Loud initiierten Geburtstags-Sause zum 30jährigen Veröffentlichungsjubiläum ihrer wegweisenden „Supermüll“  Scheibe eröffnete sich beim Spielen der alten Stücke eine neue Legislaturperiode, die sich nun in „Raus“ kanalisiert.

Bevor der Drang ins Freie einsetzt, sollte man irgendwo drinnen sein. Mit schlingernder Dinosaur Jr. Gitarre voraus geht es „Mitten Hinein“ in den Deutsch-Pop und zwar ohne Diskurs, mit dem Rossmy brach, weil er ihm schlicht „auf den Sack“ ging.

Der Tilman Rossmy von Heute packt das in seiner Post-Hamburger Zeit gesammelte Songwriter-Knowhow gemeinsam mit fast sechzigjährige Lebenserfahrung in beschreibende und beobachtende Texte, die in sonorer Erzählform mit der notwendigen Gelassenheit auf eine gereizte Gesellschaft schaut.

„I wanna die because the government lied“ schluchzte einst Adam Green – von dieser Regierung ist nichts derartiges zu befürchten. Die befasst sich in Person ihres Sängers mit Reife und Alter, geht mit beiden in höchst unpeinlicher Weise um, schließlich heißt die Zukunft Erinnerung. Mit Lakonie betrachtet er das Abstraktes und Konkretes, sinniert über ausgelassenen Möglichkeiten und unseren begrenzten Zugriff auf das Große und Ganze.

Die Saiteninstrumente schrammeln durch die Stücke, lassen die Songs wie den Soundtrack für die lange Autofahrt mit heruntergekurbelten Fenstern klingen. Manchmal wirbelt ein Gitarrensolo die Songs durch die Luft, Synthies sorgen auch ohne Zutun des auf den Vorgänger noch aktiven Thies Mynther für eine flächige Untermalung.

Rossmy und Kollegen können weder mit Erst- oder Zweitstimme in die Regierung gewählt werden. Sie besitzen ein Direktmandat für das Ressort „Bemerkenswerte Menschen“. Mit dieser bemerkenswerten Platte fällt „Der Weg Nach Draussen“ gleich viel leichter.

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