Zwischen Wohlfühlen und Eingeengtsein war vergangenes Jahr nur wenig Platz. Zu populär ist das Sound Of The Forest Festival geworden, das mit dem Marbachstausee an seiner Flanke zu den Idyllischsten des Landes zählt – das weiß man inzwischen auch in Berlin.

Das wiederum war ein Problem, weil die, die erst am späten Donnerstag Abend oder gar am Freitag anreisten, ihr Lager nur auf unwegsamem Gelände aufschlagen konnten. Auf der Wiese war zwischen zwei Campingstühlen entweder gar kein Platz mehr zu finden, oder aber das Zelt fiel inmitten einer kreisrunden, eingeschworenen Gesellschaft der Tyrannei zum Opfer.

Die Veranstalter haben entsprechend reagiert und dieses Jahr erstmals separate Campingtickets zu den Festivaltickets verkauft. Die Folge: Alles ein bisschen luftiger auf Campingplatz A. Wie die Besucher der Plätze B und C das so empfunden haben, bleibt abzuwarten, eventuell suchen manche noch immer den Eingang zum Festival.

Eine Ideallösung wird es so schnell wohl nicht geben, denn die Tendenz bleibt steigend, auch wenn das Line-Up auf dem Papier in den Jahren zuvor etwas mehr Anziehungskraft ausstrahlte.

Sicher, Annenmaykantereit sind aktuell einer der größten deutschen Acts – sie bleiben aber auch im Odenwald die Spalter Nummer eins. Die einen feiern die vier jungen Kölner bedingungslos, die anderen zucken ratlos mit den Schultern.

AMK spielen auf der Waldbühne, neben Mighty Oaks oder Bukahara, eine solide Show, bleiben aber im Vergleich zu dem, was hier einst mit Bonaparte, Käptn Peng oder Blumentopf wütete, recht blass – trotz intensivem Seifenblasen-Einsatz.

Einen weiteren (halb-)großen Namen stellt das Elektropop-Duo Hundreds. Die Band um das Geschwisterpaar Milner überzeugt mit ohrenbetäubender Lautstärke, wirkt am frühen Abend aber einigermaßen deplatziert.

Als Late-Night-Special hätte das sicher besser funktioniert, wären da nicht Egotronic, die diesen Platz bereits für sich beanspruchen.

So weit, so deutsch – wie der  Hip-Hop von Chefket, der an diesem Wochenende wohl die meisten Arme zum Bouncen bringt. Doch auch sein Auftritt kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die großen Überraschungen erneut abseits des eigentlichen Festivalgeländes auf der kleinen Seebühne zu finden sind.

Schon Donnerstagnacht steckt sich hier das Elektro-Pop-Duo Ströme mit tausenden von Kabeln durch ihre Modular-Synthesizer. Das hat große Klasse, ist Gaudi für Analogherzen und ein Augenschmaus für schlaftrunkene Tanzbären.

Mit Me + Marie folgt am Freitag dann an selber Stelle einer der besten Auftritte des gesamten Festivals. Das Trio um die singende Schlagzeugerin Maria de Val besticht mit poppigem Blues- und Psychrock aus ihrem Debütalbum „One Eyed Love“. An den feinfühligen, mehrstimmigen Gesang und die klugen Riffs kommt dieses Jahr nichts heran.

Das sind nur zwei Beispiele für das geschmacksichere Line-Up der Seebühne, das außerdem erneut genau die richtige Portion Lokalkolorit serviert.

So tröstet etwa der Heidelberger Singer/Songwriter Bischler bei strahlendem Sonnenschein all jene, die schon viel zu lange auf ein neues Album von Gisbert Zu Knyphausen warten (einer, der beim Sound Of The Forest 2018 übrigens prima untergebracht wäre).

Musikalisch deutlich flapsiger, dafür mit Witz und Haltung, rumpeln sich die ebenfalls aus Heidelberg stammenden Astra Van Nelle & Der Loorberstorch durch ein Akustik-Punk-Set. Sie alle polieren die Planken für den letzten großen Namen im Line-Up.

Es ist vielleicht kein Zufall, dass Enno Bungers Konzert am Sonntag Nachmittag zum besten Headliner-Auftritt des Festivals avanciert. Ist es doch diese Bühne, die mit ihrer offenen Rückseite den Blick auf den See freigibt und dadurch am besten den Reiz des Festivals einfängt. Die melancholische Singer/Songwriterkunst mit Piano hat hier ihren Kulissen-Meister gefunden.

Danach lässt sich etwas wehleidig ein von Vorfreude geplagtes Fazit ziehen: Zusätzliche Campingplätze, bessere sanitäre Anlagen, schnellere Koordination der Einlasskontrollen – alles prima. Es darf nächstes Jahr nur gerne wieder ein bisschen mehr Wagemut beim Booking dazu kommen, dann machen auch die Großen wieder häufiger den Kleinen was vor, und nicht nur umgekehrt.

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