Mit dem mehr als gelungenen Debütalbum “Songs Of Praise”, den unzähligen Lobpreisungen aus der Musikpresse und einem sehr langen Jahr 2018 im Blick, waren am gestrigen Abend die britischen Newcomer des aktuellen Jahres im Münchner Orangehouse zu Gast – Shame.

Erst im Januar veröffentlichten die fünf Musiker aus dem Süden von London ihr erstes Album und stiegen auf Anhieb in die britischen Charts und der Post-Punk-Manege auf. Innerhalb kürzester Zeit wurden Shame so bekannt, dass so gut wie fast alle Konzerte auf der aktuellen Tour ausverkauft sind. Auch das Orangehouse war fast komplett gefüllt.

“Come closer to me!”, befahl Frontmann Charlie Steen gleich zu Beginn des Konzertes und legte damit die Richtung, in die der Abend gehen sollte, fest – schnell, laut und warm!

Schon der Opener “Dust On Trail” versprühte so viel britische Post-Punk-Energie, dass viele im Publikum von Anfang an im Moshpit-Stagediving-Modus waren. Zu Beginn noch leicht ruhig, riss der Song innerhalb weniger Momente die Halle auseinander. Das gleichbleibende Schlagzeug wurde schlagartig von zerrend dröhnenden Gitarren begleitet und Charlie Steen grölte die letzte Luft aus der Lunge. Vor der Bühne fielen schon die ersten Fans nach einem kläglichen Stagediving-Versuch auf den Boden – es herrschte Chaos.

Weiter ging es mit „One Rizla“ und „Concrete“. Wie zu erwarten war, wurde es nicht ruhiger. Im Gegenteil: nun mischte auch Charlie Steen mit, sprang auf die Menge, ließ sich von ihr tragen, ließ sie singen und tanzen.

Alles wurde nach und nach nasser – die T-Shirts, der Boden und Luft. Der Schweiß tropfte schon von der Decke. Und was macht man, wenn das Publikum so energisch ist? Richtig – man versucht, auf den Händen der Leute zu laufen. Schon in den ersten Minuten schüttelten Shame das ganze Punk-Repertoire aus dem Ärmel.

Zwischen den Liedern wiederholte Steen immer wieder eine andere Variation des gleichen Satzes – „Smile, this is entertainment“. Doch die Songtexte fühlten sich oft tödlich ernst an. Gefüllt mit Charakteren, die Selbstmord begehen (im grimmigen und hinreißenden “Angie”), die giftige Beziehungen mit lüsternen Männern führten („Gold Hole“) oder kämpfen, um festzustellen, ob sie einen aufrichtigen Weg gehen („Friction“).

Egal – die Musik wurde nie mürrisch oder zu traurig. Alle auf der Bühne warfen sich mit einer Unerbittlichkeit hinein und legten nahe, dass es da noch etwas gibt, wofür es sich zu kämpfen lohnte: den perfekten Abend für das Publikum.

Die Gegenüberstellung von Steens unkonventioneller Stimme und die sardonische, schmutzige Frustration, mit den rauschenden, melodiösen Riffs des Lead-Gitarristen Sean Coyle-Smith sollte eigentlich erschütternd sein, war aber völlig hypnotisch. “The Lick” und “Lampoon” waren an diesem Abend wohl die besten Beispiele dafür. Dass zwischendurch die Gitarre mit Gaffa-Tape repariert werden musste, zeugt nur weiter von dem vollen Einsatz.

Selten gab es in München ein Konzert einer noch jungen Band mit solch einem Einsatz vom Publikum.

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