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Es gibt auch Hoffnung in der digitalen Welt – Villagers im Interview

Nach seinem intimen Drittwerk “Darling Arithmetic” präsentiert sich Conor O’Brien alias Villagers dieser Tage wieder etwas lebendiger und experimentierfreudiger. Auf seinem vierten Studioalbum “The Art Of Pretending To Swim” treffen voluminöse Bläser auf zarte Gitarren. Hinzu kommen Conors markantes Organ, sowie süchtig machende Piano-Harmonien. Detailverliebt arrangiert und zwischen laut und leise perfekt ausbalanciert bewirbt sich “The Art Of Pretending To Swim” mit Nachdruck für einen Platz auf dem Diskografie-Podest. Kurz vor der Veröffentlichung seines neuen Electronica-Folk-Meisterwerks trafen wir uns mit Conor O’Brien zum Interview und sprachen über recycelbare Sound-Fragmente und die Schattenseiten des digitalen Fortschritts.

MusikBlog: Conor, nach dem minimalistischen Vorgänger “Darling Arithmetic” präsentierst du mit deinem neuen Album das komplette Sound-Gegenteil. “The Art Of Pretending To Swim” geht groß, breit und voluminös an den Start. War das so geplant?

Conor O’Brien: Ja, ich wollte diesmal genau mit diesen Sounds arbeiten. Nach der letzten Tour wurde mir klar, dass es wieder in eine andere Richtung gehen muss, damit das große Ganze frisch und lebendig bleibt. Ich denke, dass es für einen Künstler unheimlich wichtig ist, dass er immer offen bleibt und sich nicht festlegt.

MusikBlog: Inwieweit spiegelt sich eine vermeintlich tiefere Bedeutung des Albumtitels in dem neuerlichen Richtungswechsel?

Conor O’Brien: Der Albumtitel lässt sicherlich viel Spielraum für verschiedenste Interpretationen. Eigentlich geht es hier aber nur um einen Song, der nie fertiggestellt wurde. Ich habe da ewig dran herum getüftelt. Aber irgendwie standen nur der Titel und mehrere Sound-Fragmente. Die habe ich dann letztlich in andere Songs mit eingebaut, die alle auf dem neuen Album zu hören sind. Die DNA von “The Art Of Pretending To Swim” steckt also im Album mit drin – irgendwie. (lacht)

MusikBlog: Lass uns noch kurz beim Sound des Albums bleiben. Ähnlich wie bei deinen ersten Werken spielst du wieder mit dem Brückenbau zwischen analog und digital. Es gibt unheimlich viel zu entdecken. Findest du selbst manchmal Dinge in deiner Musik, die du vorher gar nicht so richtig auf dem Schirm hattest?

Conor O’Brien: Nein, das kommt eher selten vor. (lacht) Es macht einfach unheimlich viel Spaß, mit all diesen Möglichkeiten, die man heutzutage hat, zu experimentieren.

MusikBlog: Steht die technische Offenheit innerhalb des Sounds aber nicht im Widerspruch zum textlichen Inhalt?

Conor O’Brien: Das ist eine sehr interessante Frage, die ich mir auch schon gestellt habe. (lacht)

MusikBlog: Der Aufklärung wegen: Inhaltlich geht es auf dem neuen Album um Ängste und dunkle Gedanken im digitalen Zeitalter.

Conor O’Brien: Ja, das passt natürlich im ersten Moment nicht wirklich zusammen. Auf der anderen Seite ist es ja aber auch so, dass es in den Texten nicht nur um negative Gedanken und Gefühle geht. Es gibt auch Hoffnung und Licht in der digitalen Welt. Im Grunde ist es ja so, dass man das Gefühl hat, nicht so richtig mit, aber auch nicht ohne den technischen Fortschritt leben zu können. Ich meine, mein neues Album würde nicht so klingen wie es klingt, hätten mir nicht all diese digitalen Optionen zur Verfügung gestanden.

MusikBlog: Was bereitet dir denn besonders große Sorgen, wenn du dich mit den Auswirkungen des digitalen Zeitalters beschäftigst?

Conor O’Brien: Ich habe einfach das Gefühl, dass Vieles dabei auf der Strecke bleibt. Ich habe da auch selbst meine Erfahrungen gemacht, die mir irgendwann die Augen öffneten. Man klinkt sich ein in eine Welt, die nur noch aus Facebook und Twitter besteht, weil man denkt, dass man so Menschen nahe kommt, die man sonst vielleicht nie treffen würde. Das mag zwar irgendwie auch stimmen. Aber man vergisst dabei, dass man die Welt, die sich draußen vor der Tür ausbreitet mehr und mehr aus den Augen verliert.

MusikBlog: Gabe es einen bestimmten Moment, der dir hinsichtlich deiner neuen Texte, die Augen geöffnet hat?

Conor O’Brien: Den gab es in der Tat. Ich habe früher unheimlich viel gelesen. Vor einiger Zeit fiel mir allerdings auf, dass ich seit zwei Jahren kein Buch mehr in der Hand hatte. Das hat mich total schockiert. Das war so ein Knackpunkt, der viel in mir ausgelöst hat. Ich habe dann wieder angefangen zu lesen. Zur selben Zeit habe ich dann auch die ersten Texte für das neue Album geschrieben. So kam eins zum anderen.

MusikBlog: Denkst du, dass die Möglichkeit besteht, auch außerhalb der Musik eine Balance zwischen „analog“ und „digital“ herzustellen?

Conor O’Brien: Ich hoffe es jedenfalls. Wir reden hier von einer sehr, sehr großen gesellschaftlichen Herausforderung, der sich alle stellen müssen.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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