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Manu Delago – Parasol Peak

Wenn der Berg ruft, gibt es bekanntlich kein Entrinnen. Dann bleiben weinende Mütter, flehende Ehefrauen und zur Vernunft mahnende Kameraden ungehört und in der Folge verängstigt zurück.

Handelt es sich bei dem schicksalhaft Angerufenen, den es auf den Gipfel drängt, auch noch um den Tiroler Hangspieler Manu Delago, ist die Liste der Leidtragenden ungleich länger.

Sechs Mitmusikanten sowie eine Film- und Ton-Crew hat der Wahl-Londoner, der schon mit Größen wie Björk, dem Cinematic Orchestra oder Anoushka Shankar zusammengearbeitet hat, genötigt, ihr Equipment bei Temperaturen um den Gefrierpunkt auf die Alpen zu schleppen, um dort in der rauen Natur ein Album und einen dazugehörigen Film aufzunehmen. Beide Werke tragen den Namen „Parasol Peak“.

Im Trailer der Filmversion rauben dem geneigten Zuschauer (wie fast zu erwarten) surreal endlos scheinende Bergpanoramen, Zeitlupenaufnahmen eines Gebirgsbächleins und Instrumentalisten, die beim Musizieren eins mit der Natur zu werden scheinen, den Atem.

Und um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Die Schönheit der erwähnten Bilder ist über jeden Zweifel erhaben. Allerdings wird man das Gefühl nicht los, dass die Musik einen so angenehm dezenten Soundtrack bildet, dass man Schwierigkeiten haben könnte, sie auch in ihrer rein auditiven Version zu würdigen.

Diese Bedenken stellen sich als falsch heraus. Zwar kann durchaus darüber gestritten werden, ob man die von Manu Delago zum maßgeblichen kompositorischen Einfluss erhobene Natur, über Windgeräusche hinausgehend, auch in diesem Fall hören kann.

Aber die acht Stücke funktionieren prächtig ohne Bilder, überhaupt ohne zusätzliche Information zu den acht verschiedenen Höhenlagen, in denen sie aufgenommen wurden, zu den wetterbedingten Widrigkeiten oder zur allgemeinen Außerordentlichkeit des Projekts.

Manu Delago gelingt es, „Parasol Peak“ der – dem Genre eingeschriebenen – Gefahr des Dahinplätscherns in mehreren seiner neo-klassischen Kompositionen zu entreißen.

Oft sind das jene Momente, in denen Delagos immer noch exotisch klingendes Hangspiel die geschmackvoll, aber meist konventionell eingesetzten Bläser und Streicher offensiv und melodiös kontrastiert (v.a. im Opener „Parasol Woods“ und im Titeltrack „Parasol Dreams“).

Ein gelungenes Instrumental-Album, das mehr zu bieten hat als Alpenkitsch.

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