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boygenius – boygenius

Wenn man an eine Girlgroup denkt, tanzen bei den meisten im Kopf unfreiwillig die Spice Girls los und schreien „I tell you what I want / What I really, really want.“ Eigentlich ist schon dieser Fakt allein dringlicher Beweis dafür, dass es höchste Zeit für einen niveauvollen Ersatz wird.

Boygenius mögen den Spice Girls in Sachen Ohrwurm- und Mitsingqualitäten nachstehen, verzaubern aber dafür auf ihrem Debüt umso mehr mit wunderschönen Harmonien, geschmackvoller Instrumentierung und jeder Menge Gefühl.

Boygenius – das sind Julien Baker, Lucy Dacus und Phoebe Bridgers. Letztere verzauberte in Deutschland bereits einige Indiefolk-Freunde im Vorprogramm von Conor Oberst. Und wenn der seinen Opening-Act nochmal mit auf die Bühne bittet, um seinen zeitlosen Hit „Lua“ im Duett zu versüßen, dann weiß man, dass das was Besonderes ist.

Auch Julien Baker ist längst keine Unbekannte mehr. Mit ihren zerbrechlichen Gitarren-Songs tourte die zierliche Frau bereits mehrfach in Deutschland und rührte mit ihrer emotionalen Performance so manchen zu Tränen oder wenigstens zu Gänsehaut.

Die selbstbetitelte Debüt-EP von Boygenius ist mindestens so gut, wie man sie sich aufgrund der letzten Solo-Platten der drei Damen vorgestellt hatte. Die Songs sind unaufdringlich aber einnehmend wie Herbstlicht, das sanft durch die Fenster fällt, nie zu grell ist, sondern stattdessen den Raum mit wohliger Wärme füllt.

Die einzelnen musikalischen Facetten ergänzen sich perfekt zu einem großen Ganzen. Bakers unaufgeregtes Gitarren-Picking fädelt sich zu den folkigen Ideen von Bridges ein, während Dacus für die kleine Portion unauffälliger Verzerrung sorgt.

Aber noch herausragender ist die stimmliche Harmonie der drei Singer/Songwriterinnen. Bei „Me & My Dog“ beispielsweise umgarnen sich die drei Stimmen so selbstverständlich wie Kletterpflanzen: Die eine singt, während die anderen den Backgroundgesang übernehmen und den Refrain mit mehrstimmigen Harmonien versüßen.

„Bite The Hand“ erinnert mit seinem A-Capella-Schluss an die besten Tage von Mumford And Sons und spannt mit den drei verschiedenen Stimmfarben den perfekten Bogen zwischen tiefem Brustregister und zerbrechlicher Kopfstimme.

„Salt In The Wound“ ist das Paradebeispiel dafür, wie Boygenius jeder Sängerin genug Freiraum zur eigenen Entfaltung lassen und sich trotzdem perfekt ergänzen. Die verschiedene Stimmenverteilung wirkt völlig organisch.

„Ketchum ID“ überzeugt allein durch akustische Gitarren und den perfekt intonierten Problemen des Tourlebens. Pointierte Zeilen wie „I am never anywhere / Anywhere I go / When I’m home I’m never there / Long enough to know“ treffen die Schattenseiten des Musikerdaseins genau auf den Punkt, ohne dabei platt oder abgedroschen zu klingen.

Wobei es eigentlich fast egal ist, was Baker, Dacus und Phoebe genau singen, denn bei diesen ehrlichen, unter die Haut gehenden Songs gerät sowieso alles andere in Vergessenheit.

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