Konzerte, die mit „An Evening With …“ beworben werden, sind in der Regel Zeichen für ein erlauchtes, betagteres Publikum, das die saftigen Eintrittspreise solcher Veranstaltungen kalt lässt.

Benjamin Clementine ist prinzipiell zu jung, zu frisch zu „unlegendär“ für „An Evening With him“. Weil er den nötigen Stil und die nötige Eleganz allerdings augenscheinlich schon in die Wiege gelegt bekam und vielmehr mit dem Parisien String Quintett die gehobene musikalische Unterstützung an seiner Seite hat, geht das Prädikat mehr als in Ordnung.

Einige im Publikum sind außerdem auch Anhänger der pedantischen Nörgelei, sich an jedem noch so winzigen Störgeräusch bemerkbar zu echauffieren. Auch das ist eine Erscheinung, die an „Abenden mit Von und Zu“ gehäufter auftritt als, sagen wir mal, bei einem Konzert der Kassierer.

Beim Support Act Bevan Waller, der zwischen seinen sanften Piano-Songs verkappte Geschichten von Affen und Vögeln streut, ist das noch halbwegs nachvollziehbar. Die leisen Stellen im akustisch sehr gut tragenden Mozart-Saal verzeihen kaum ein Räuspern. Waller covert David Bowie und schmiert die Töne über sein formidables Klavierspiel im Morrissey-Stil an.

Clementine hingegen begegnet der deutschen Steifheit vor allem mit charmantem Witz. Er schweift zwischen den Songs immer wieder ab, erzählt von hartem, schwer kaubaren deutschen Brot und einem Mädchen, das ihm geschrieben und ihn gebeten hat, ihre Mutter zu grüßen.

„Wenn ich den Namen noch wüsste, wär’s wohl einfacher, herauszufinden, ob sich die entsprechende Mutter im Saal befindet“, scherzt er. „Vielleicht war es aber auch bei einer andern Show.“

Seine lockerer Bühnencharakter lässt manches Mal fast vergessen, was für ein Vollblut-Musiker und exzentrischer Künstler hier zwei Alben zum Besten gibt, die sich jeder Kategorisierung entziehen.

Er trägt einen weißen Rüschenkragen im Stil der Renaissance und symbolisiert damit seine klassische musikalische Prägung. Mit seinem außergewöhnlichen, toupierten Haar und dem schwarzen Hosen-Anzug sieht er fast aus wie Whoopi Goldberg in Sister Act. Nur ohne den ganzen Kitsch.

Er sitzt auf einem Barhocker, barfuß, spaziert in den Passagen, in denen er nicht den großen schwarzen Yamaha-Flügel spielt, den Bühnenrand auf und ab und lässt nach seinem Dünken das Publikum singen oder schmunzeln.

Und mit welch raumgreifender Stimme er jongliert: Vom Falsett bis zum tiefsten Tenor wirkt alles astral und spielerisch leicht und doch ausnahmslos perfekt. Sie lässt bei voller Entfaltung gar keinen Platz mehr für Störgeräusche oder Nörgler.

Wenn der 30-jährige Brite dann ein ums andere Mal, wie in „Adios“, aus der Klassik ausbricht und in seine berühmte Spoken-Word-Gala eintaucht, ringt das auch seinem hervorragenden Streicher-Quintett das ein oder andere Lächeln ab.

Kein Song, der nicht einzigartig wäre, und Clementines Virtuosität als Songschreiber, Pianist und Sänger doppelt unterstreichen würde. Im großartigen „Cornerstone“ vom Debüt „At Least For Now“ singt er so überzeugend und gleichzeitig so demütig wie kein anderer vor ihm „It’s my home, home, home“, so dass diese triviale Zeile zum ersten Mal tatsächlich eine Bedeutung zu bekommen scheint.

Ganz zu Beginn war er noch beim Satz „Never in the field of human affection had so much been given for so few attention“, im Auftakt zu „Winston Churchill’s Boy“. Diese Zeile ist ein Paradebeispiel für seine eigenwilligen, um die Ecke gedachten Lyrics und leider auch Sinnbild seiner eigenen Show.

Im Mozart-Saal, dem kleinen in der alten Frankfurter Oper, sind noch Plätze frei. Das verbietet sich eigentlich von selbst. Denn das hier ist nicht weniger als „An Evening With An Ausnahmekünstler“ und der Ausweg für Musik, die die Jahrzehnte überdauern möchte.

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