Island, ein Ort voller Mythen und eine der Wirkungsstätten Odins, außerdem das Sigur-Rós-Hauptquartier, in deren aktueller Veröffentlichung Hugin und Munin, des Göttervaters Raben, Hauptrollen spielen.
„Odin’s Raven Magic“ basiert auf „Hrafnagaldur Óðins“, einem umfassenden nordischen Prosa-Werk, dessen Vertonung zu Beginn des Jahrtausends vom Reykjavik Arts Festival an das Flaggschiff des isländischen Alternativ-Pop vergeben wurde.
Beteiligt am, nach seiner Fertigstellung kaum aufgeführten, Epos war maßgeblich der Komponist Hilmar Örn Hilmarsson, der die apokalyptische Warnung der Rabensaga auch als Gleichnis zum ungebremsten Raubbau an Islands Natur versteht, und mit dem Rímur-Barden Steindór Andersen ein weiterer renommierter Insel-Künstler.
Im Netz bisher nur fragmentär zugänglich, erscheint nun – 18 Jahre nach der Premiere im Londoner Barbican Centre – eine 2004 komplett eingespielte Aufnahme aus der Pariser La Grande Halle de la Villette.
In die Produktion waren Reykjavíks Schola Cantorum und das L’Orchestre des Laureats du Conservatoire National de Paris involviert, die ihre Einsätze so perfekt synchronisierten, dass nur das begeisterte Publikum am Ende verrät, dass es sich um eine Live-Aufnahme handelt.
Opulent, schwelgerisch, fesselnd – den Meistern im Konstruieren atmosphärischer Soundwände gelingt es auch in diesem Format, den esoterischen Ansatz ihrer Kompositionen beizubehalten, dessen Wirkung sich hier noch einmal intensiviert.
Verdichtete Klangdramaturgien, stetig steigernde Szenarien mit rauschenden Höhepunkten, Reduktionen, in denen die Melodien auf Tonleiterlevel zerlegt werden, woraus sich loslösende Töne erneut zum Strom vereinigen, prägen auch dieses Werk.
„Alföður orkar“ führt wie ein kalter Nordwind in die Materie ein, mit dem voluminösen „Dvergmál“ tangiert das schwere Thema partiell die Leichtgkeit des Pop.
Üppige Streicher, eine fünfoktavige, von Bildhauer Páll Guðmundsson aus Steinstücken gefertigte, Marimba, und von Erlösung kündende Hörner sind zu erleben.
Der vielstimmige Background (Ex-Bandmitglied Kjartan Sveinsson und Amiina-Violinistin Maria Huld Markan Sigfúsdóttir kümmerten sich um Orchester- auch um die Chorarrangements) donnert dauerhaft zwischen spirituellen Männergesang und engelhaften Jubilieren, bis hin zum pathetischen „Dagrenning“-Finale kontrastiert Steindór Andersen dunkles Timbre immer wieder Jónsis markantes Organ.
Für Fans ein Muss und außerdem Gelegenheit, 70 Minuten in eine magische Welt einzutauchen und sich auf dem Rücken der schwarzen Vögel über dramatische Landschaften tragen zu lassen.