Das New Yorker Trio VHS Collection veröffentlicht eine gefällige Indie-Synth-Pop-Platte, die – wie so vieles – durch die neue Kriegssituation völlig in den Hintergrund rückt und absolut egal bleibt.

Wie schreibt man eine Plattenrezension, wenn ein als selbstverständlich erachteter, über 75 Jahre etablierter Frieden in Europa zusammenbricht? Wenn Völkerrecht nicht nur mit Füßen getreten wird, sondern unter Raketenbeschuss steht?

Wenn mindestens zwei Generationen zugeben müssen, dass sie die Missachtung territorialer Integrität in Europa lediglich vom Geschichtsunterricht kennen? Darauf gibt „Night Drive“ keine Antworten. Wie auch. Alles darauf ist schließlich weit vor dem 24. Februar geschrieben und aufgenommen.

Deshalb teilen VHS Collection auch das Schicksal mit so vielen weiteren Veröffentlichungen dieser Woche, aber auch mit jenen, die in den kommenden Wochen und Monaten noch herauskommen. Sie sind überholt, noch bevor sie erscheinen. Weil die Welt eine andere ist als die, in der die Songs entstanden.

Vor dem 24. Februar wäre „Night Drive“ der sprechende Titel eines Albums gewesen, mit dem man genau das tun würde: Durch die Nacht fahren, in seinem eigenen Kosmos, mit den eigenen Gedanken, den eigenen Problemen und Träumen, die nicht brutal überlagert werden vom Weltgeschehen.

Mit einem exponierten 80er Drumsound und funkelnden Synthesizern, an denen man sich hätte wärmen können, die jetzt ironischerweise an die Zeiten des Eisernen Vorhangs und des Kalten Krieges erinnern. Gewiss eine unbeabsichtigte Assoziation.

Es wird eine Weile dauern, bis Kunst im Allgemeinen und Musik im Besonderen die neue Realität aufgreift und sich inhaltlich damit auseinandersetzt. Bis dahin bleibt ein Schuldgefühl, sich länger mit gefälliger Unterhaltungsmusik, wie der auf „Night Drive“ zu befassen, als es der kurze Moment der Ablenkung gestattet.

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