Wer bei Honeyglaze sugarcoated Indie-Pop erwartet, wird von „Honeyglaze“ vermutlich enttäuscht. Und der Rest? Der Rest darf sich über ein Debütalbum freuen, das das Revival reduzierter Gitarrenmusik konsequent weiterführt.
Irgendwann musste es ja passieren. Während Olivia Rodrigo in den Charts und bei den Grammys den – in diesem Fall tatsächlich sugarcoated – Pop-Rock zurück in die Gegenwart holt und Erinnerungen an die Nullerjahren weckt, schleichen sich Acts wie Snail Mail, Lucy Dacus, Courtney Barnett und Co. immer weiter in Richtung der Öffentlichkeit, die sie verdienen.
Low key bleiben Honeyglaze bei dem eigenen Debütalbum, auf dem progressive Sounds den Eindruck dominieren und sich festsetzende Hooks größtenteils ausbleiben. Die Band aus London zelebriert den Gestus der Introvertiertheit, der Unscheinbarkeit.
Während Songs wie „Burglar“ eine Affinität für britische Rockmusik erkennen lassen, erinnert „Half Past“ in seiner klinischen Rhythmik eher an die Talking Heads, lässt sich hin und wieder aber doch zu einem Diskurs in verzerrte Gitarrensounds hinreißen.
Überhaupt klingt aus „Honeyglaze“ der stetige und gelungene Versuch heraus, zwischen dunstiger, probenraumartiger Improvisation und künstlerischer, kalkulierter Avantgarde zu navigieren. Honeyglaze passen in den etwas miefenden Club im Keller nebenan und in die – vermutlich sehr wohlriechende – Vernissage im Atelier im ersten Stock.
Die unaufgeregten Vocals von Sängerin Anouska Sokolow rezitieren Texte, die gänzlich auf Pathos oder Phrasendrescherei verzichten und erzeugen so ein Gefühl von Intimität und leichtfüßiger Ernsthaftigkeit. So spricht Sokolow auch patriarchale Strukturen und sexistisches Verhalten mit lyrischen Witz und alltäglichen Anekdoten an: „It might come as a surprise, that I don’t like being patronized.“
Wohin das in Zukunft noch führen kann? Die Türen sind offen, in alle Richtungen und Ausprägungen des Indie-Rocks. „Childish Things“ lässt sogar Soundwände erkennen, die auch in größeren Hallen imponieren könnten.
Es würde uns jedenfalls nicht wundern, wenn die Gruppe aus der englischen Hauptstadt im kommenden Jahr und in irgendeinem Vorprogramm den Sprung über den Ärmelkanal schaffen sollte.